Mülheim bekommt zwei neue Hauptamtliche Beigeordnete
Wirbel um Dezernenten

Dezernent Peter Vermeulen entschuldigte sich für Fehler und wird nun krankheitsbedingt monatelang ausfallen.
Foto: PR-Foto Koehring/AK
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  • Dezernent Peter Vermeulen entschuldigte sich für Fehler und wird nun krankheitsbedingt monatelang ausfallen.
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Irgendwie wurde es aber auch Zeit für eine kurze Atempause. Die Sommermonate wird der Mülheimer Verwaltungsvorstand zum Durchschnaufen nutzen. Vielleicht mal für ein paar Tage an die See? Für einen der Beigeordneten steht jedoch eine längere Auszeit an.

Rund um Oberbürgermeister Marc Buchholz wird es überschaubar. Gerademal zwei Hauptamtliche Beigeordnete bleiben ihm noch in den kommenden Monaten: Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort und Kämmerer Frank Mendack. Die Stellen der beiden erwünschten „Verstärkungen“ müssen erst noch ausgeschrieben werden, dazu fällt nun auch noch sein Dezernent für Umwelt, Planen und Bauen monatelang aus.
Peter Vermeulen schnappte sich zu Beginn der Ratssitzung das Mikro: „Die Sommerpause wird für mich eine lange werden. Ich muss nun dringend an beiden Hüften operiert werden und werde deswegen vier Monate lang nicht in Mülheim sein.“ Über Jahre habe er mit Schmerzen durchgehalten, doch die Operationen seien nun endgültig unvermeidlich geworden.

Fehler eingeräumt

Dann machte sich Vermeulen Luft. Er hatte veranlasst, dass die heiß diskutierte Mountainbike-Strecke im Uhlenhorst dem Erdboden gleich gemacht wurde. Quer durch alle Fraktionen war der Abriss kritisiert worden, von „übereiltem Verwaltungshandeln“ oder gar „gefühl- und respektlos“ war die Rede. Nun räumte Vermeulen Fehler ein: „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Nicht für das, was ich gemacht habe, sondern für das, was ich nicht gemacht habe.“ Ihm sei es nie darum gegangen, den Mountainbikern ihren Sport zu verbieten: „Eine legale Strecke in Mülheim wäre wünschenswert. Doch bisher konnte keine geeignete Fläche gefunden werden.“

Kurz riss Vermeulen eine Chronik der Geschehnisse an. Bürger hätten sich bei Forst- und Umweltamt über massive Eingriffe in die Natur beschwert. Offenkundig hätten die Mountainbiker in der Pandemie mehr Zeit gefunden, die etablierte und gut genutzte, aber eben illegale Strecke noch deutlich auszubauen: „Da wurden Bäume und Wurzeln beschädigt. Mir wurde dann empfohlen, die Strecke zurück zu bauen. Ich habe das aber zunächst gestoppt, um mir selbst ein Bild zu machen.“ Das sei am 25. Juni geschehen: „Auf den alten Wegen waren massive Eingriffe und brüchige Aufbauten zu sehen, viele der neuen Wege kreuzen Wanderpfade. Ein plötzlich querender Mountainbiker stellt aber eine Gefahr für Leib und Leben dar, für die Spaziergänger, aber auch für die Radfahrer selbst.“

Ein reines Absperren mit Flatterband habe da nicht genügt: „Die Strecke muss sicher befahrbar sein, und das ist hier nicht der Fall.“ Diese wild und unorganisiert entstandene Strecke hätte nie legalisiert werden können, auch ein Tolerieren sei für ihn nicht in Frage gekommen: „Muss erst etwas passieren, bevor die öffentliche Hand handelt?“ Dabei habe er sogar den Kontakt gesucht zu den Mountainbikern und in Ermangelung eines konkreten lokalen Ansprechpartners sich mit dem Sprecher der Deutschen Mountainbike-Initiative ausgetauscht. Das Engagement der Radsportler im Wald sei durchaus beachtlich, aber nie zulässig gewesen.

Emotionale Stellungnahme

Nun nahm die emotionale Stellungnahme eine Wende, denn Vermeulen gab Versäumnisse zu. Er habe nicht angenommen, dass der am Freitag beauftragte Unternehmer bereits am Montagmorgen die Bagger anrücken lasse: „Erkennbar ist eine Schneise der Verwüstung geschlagen worden, mit der ich mir keine Freunde mache.“ Die Naturschutzbehörde habe ihm immerhin bestätigt, dass die Tierwelt ohnehin durch die Biker vergrämt worden sei. Doch eines gräme nun ihn: „Ich habe nicht unverzüglich Sie als Stadtrat informiert. Ich habe Sie durch Nichtinformation in die Irre geschickt. Das ist ein Fehler gewesen.“

Und dennoch blieb Peter Vermeulen hart: „Bis auf Weiteres werden gefährliche Eingriffe in die Natur immer beseitigt werden müssen.“ Für andere MTB-Strecken in Mülheim gelte das auch. Aber die nun entstandene öffentliche Diskussion sei wichtig: „Wir haben nichts, wo diese Trendsportarten ausgeübt werden können. Ich begrüße daher den Beschluss des Sportausschusses für ein Perspektivkonzept Trendsport. Der Zeitpunkt für die Bagger war unglücklich und die Nichtinformation mein Fehler. Dafür möchte ich mich entschuldigen.“

Zwei neue Beigeordnete

Die Ausschreibung der zwei hauptamtlichen Beigeordneten der Stadt Mülheim an der Ruhr sorgte für Redebedarf. Die CDU-Fraktionsvorsitzende Christina Küsters erklärte den mit den Grünen gemeinsam verfassten Antrag: „Wir wollen die vakante Stelle besetzen und eine zusätzliche Stelle schaffen. Das Dezernat V ist riesig und zu groß.“ Ein Neuzuschnitt der Geschäftsbereiche reiche da einfach nicht aus: „Weil die Dezernate am Limit sind.“

Nun war die Bühne frei für die Opposition im Stadtrat. Den Auftakt einer langen Liste an Gegenreden machte Peter Beitz (FDP) und bemängelte: „Wir sollten erst einmal die Arbeit organisieren und nicht die Häuptlinge. Die Abläufe in der Verwaltung sind nicht optimal. Vier Dezernenten reichen, den fünften können wir nicht mittragen.“ Was Lothar Reinhardt von den MBI noch toppte: „Eigentlich könnte man auch mit drei Dezernenten auskommen. Die Strukturen der Verwaltung sind nicht optimal. Und einen zusätzlichen Dezernenten können wir uns in unserer finanziellen Lage gar nicht leisten.“ Auch forderte er geheime Abstimmung.

Ein Geschmäckle?

Der frisch vereidigte Stadtverordnete Frank Wagner (BAMH) hatte den Posten kürzlich von Ramona Baßfeld übernommen: „Auch wir vom BAMH sind der Meinung, dass vier Dezernenten reichen würden. Ein für acht Jahre gewählter Beigeordneter wird ein Millionendeal.“ Die zwei neuen Posten sollten wohl je einer für CDU und einer für die Grünen sein. Für die AfD hielt Dominic Fiedler fest: „Auch wir werden uns dagegen stellen. Hier liegt ein Geschmäckle vor.“

Fraktionschefin Margarete Wietelmann machte deutlich, dass die SPD natürlich dafür sei, die vakante Stelle endlich zu besetzen. Als vor zehn Jahren die fünfte Stelle gestrichen wurde, sei das auf Empfehlung der Gemeindeprüfanstalt geschehen: „Wir hatten mit Ulrich Ernst einen Dezernenten, der diese große Aufgabe leisten konnte. Wir haben aber in den letzten Jahren immer mehr Personaleinsparungen mittragen müssen. Diese Belastungen können nicht durch einen weiteren Dezernenten ausgeglichen werden.“ Die vorgeschlagene Neuaufteilung der Aufgaben irritiere doch sehr: „Zum Beispiel die Trennung von Jugend und Sozialem. Die SPD kann diesen Veränderungen nicht zustimmen.“

Für die Grünen erläuterte Tim Giesbert, dass hier keineswegs wohltaten verteilt würden: „Wir alle wissen, wie anspruchsvoll die Aufgaben sind.“ Keine vergleichbare Stadt habe nur vier oder gar drei Dezernenten: „Herr Ernst war sicherlich engagier und arbeitseifrig. Aber auch er konnte nicht alles in der Tiefe abarbeiten, die nötig gewesen wäre. Wir halten die Neuaufteilung für richtig.“ Das sah Cevat Bicici nicht so: „Die Arbeitsverdichtung findet woanders statt. Die Kollegen der Verwaltung gehen auf dem Zahnfleisch.“ Überall werde gekürzt, da könne es keine fünfte, hochbezahlte Dezernentenstelle geben.

Filip Fischer (SPD) legte noch einen obendrauf: „Schwarz-Grün konnte sich nicht einig werden und muss deshalb zwei Posten vergeben. Aber wir brauchen mehr Indianer und keine weiteren Häuptlinge.“ Was Eckart Capitain (CDU) zurückätzen ließ. Die Vakanz sei doch nur dadurch entstanden, dass Marc Buchholz zum Oberbürgermeister gewählt worden sei: „Der alte OB Scholten hat seine Position wohl als Wohltat gesehen.“

Geheime Abstimmung

Die Standpunkte waren ausgetauscht, nun ging es an die geheime Abstimmung. Die CDU und die Grünen verfügen zusammen über 27 der insgesamt 54 Stimmen des Gremiums, dazu kommt noch die Stimme des Oberbürgermeisters. Allerdings fehlten drei Stadtverordnete, einer von der FDP und zwei von der AfD. Nach der Auszählung verkündete Marc Buchholz, dass die Änderung mit 28 Ja- gegen 24 Neinstimmen angenommen sei. Der Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr beschloss also die Ausschreibung von zwei Hauptamtlichen Beigeordneten (m/w/d), die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ihre Stellen antreten sollen.

Zum Geschäftsbereich der / des einen sollen gehören das Amt „Kulturbetrieb“, das „Sozialamt“ einschließlich der Sozialagentur, zukünftig „Jobcenter“, das „Amt für Gesundheit und Hygiene“, die „jsg-Job.Service GmbH“, die „Mülheimer Seniorendienste GmbH“ sowie die „Theater an der Ruhr GmbH“. Zum Geschäftsbereich der /des anderen werden gehören das „Amt für Kinder, Jugend und Schule“, das Amt „Mülheimer SportService“ und die „Gesellschaft für soziale Stadtentwicklung mbH“.

Bewerber*innen müssen die rechtlichen Voraussetzungen für die Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Zeit erfüllen. Die Stadt Mülheim an der Ruhr ist bestrebt, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen und ist deshalb besonders an Bewerbungen von Frauen interessiert. Die Wahlzeit der Hauptamtlichen Beigeordneten beträgt acht Jahre. Für Peter Vermeulen läuft diese Frist übrigens Ende April 2022 ab.

Dezernent Peter Vermeulen entschuldigte sich für Fehler und wird nun krankheitsbedingt monatelang ausfallen.
Foto: PR-Foto Koehring/AK
Die nun abgeräumte Mountainbike-Strecke im Uhlenhorst bewegte die Gemüter.
Foto: Lokalkompass / S.Tost
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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