Die Mautmädchenrechnung

Gabriel, Merkel und Seehofer - und ihr Koalitionsvertrag | Foto: de.wikipedia.org
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Heute kommt sie also in den Bundestag. Die Maut.
An kaum einem anderen Thema lässt sich besser ablesen, welch absurde Folgen gelungene persönliche Profilierung in Wahlkämpfen und Koalitionsverhandlungen haben können.


Es war 2013, als ein gewisser Herr Seehofer durch Bayern zog und nach einem griffigen Thema für die Bundestagswahl suchte. Und was konnte geeigneter sein, um die nicht gerade als ausländerfreundlich bekannte CSU-Klientel zu bedienen, als ein Projekt zum Abkassieren der europäischen Nachbarn. Zwar wurde auch damals schon sehr schnell und von vielen Seiten darauf hingewiesen, wie problematisch und ineffizient diese Pläne in der Praxis sein würden. Aber einen bayrischen Ministerpräsidenten konnten gute Argumente noch nie sonderlich beeindrucken, so lange am Ende das Wahlergebnis stimmte. Und es stimmte dann auch. 'Mir san mir'-Politik wurde in Bayern schon immer belohnt.

So gestärkt stampfte Seehofer nach Berlin und prügelte unter Drohungen sein Projekt in die Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und der SPD . Zwar hegten auch weite Teile der CDU große Zweifel an der Machbarkeit und Sinnhaftigkeit. Und in der SPD war das Grausen unübersehbar. Da Merkel jedoch – wie schon so oft zuvor – auf die CSU angewiesen war, um erfolgreich eine Regierung zu bilden, musste mal wieder eine fette bayrische Kröte mit in den Koalitionsvertrag.

Nach der Regierungsbildung durfte dann ein Herr Dobrindt – seines Zeichens neuer Bundesverkehrsminister – verzweifelt versuchen Wege zu finden, das Unmögliche zu ermöglichen: einen an fast jeder Stelle unsinnigen Plan erfolgreich zu verkaufen.

Seit Jahrzehnten erleben wir, wie fast sämtliche Mittel, die der Bund im Zusammenhang mit Verkehr und Infrastruktur einnimmt, postwendend überall hin fließen, nur nicht in Verkehr und Infrastruktur. Die Folgen wurden besonders in den letzten Jahren immer unübersehbarer. Marode Straßen und Brücken, dauer-gesperrte Autobahnstrecken, Jahr um Jahr zurückgestellte wichtige Ausbaumaßnahmen. Dazu finanziell überlastete Kommunen und Landesregierungen, die hartnäckig auf den raren Mittel sitzen bleiben und auch geneigt sind diese zu zweckentfremden. Und all das, wo doch sämtliche Entwicklungen und Prognosen zur Verkehrsentwicklung jedem – wirklich jedem – Politiker keinen anderen Schluss erlauben, als das dringend genau dort investiert werden muss.

Man wäre als Wähler wohl eher belustigt, wenn es nicht ihr bitterer Ernst wäre. Das vorläufige Ergebnis von Seehofers Weißwurst-Profilierung ist tatsächlich, dass man uns eine Maut mit einem Gesamtvolumen von vielen Milliarden und lediglich ein paar Hundert Millionen vermutetem Gewinn als sinnvolle Sache aufdrücken will. Ein typisch deutsches Bürokratie-Monster, dass sich im Betrieb bestenfalls noch selbst und gerade mal 50 Autobahnkilometer finanzieren kann. Schon das alleine macht diese Mautpläne zum realpolitischen Dauerwitz. Aber das ist ja noch lange nicht alles:
Welches Signal sendet Deutschland so in die EU? Wenn Bayern regelmäßig unsolidarische Grüße nach Brüssel und Straßburg sendet, so kennt man das ja auch nicht anders. Wenn aber Berlin sich aus Koalitionsräson nun ebenso verhält, ist das mehr als bedenklich. Besonders in einer Gesamtstimmungslage, in der wir sowieso schon als egoistischer Alleinbestimmer wahrgenommen werden.

Schäuble schreibt nun seine schwarze Null in den Bundeshaushalt, statt ewig überfällige Investitionen zu tätigen. Gleichzeitig brechen flächendeckend die Finanzen der Kommunen zusammen. Gabriel macht sich gerade zum Verkäufer unserer Verbraucher- und Umweltstandards an US-Konzerne, indem er TTIP und CETA auf biegen und brechen auch gegen den Widerstand fast aller Bürger durchdrücken will.
Und der arme Dobrindt müht sich, uns Seehofers Mautmädchenrechnung zu verkaufen. Eine Rechnung, die ganz nebenbei auch eine flächendeckende Überwachung aller Autofahrer – also einem Großteil der Bevölkerung - mit sich bringen würde. Und das in Zeiten, wo jedem klar geworden sein dürfte, wie sehr solche Daten bei allerlei Regierungsstellen und Geheimdiensten begehrt sind.

Ich bin hin und her gerissen zwischen bitterem Lachen und Tränen. Fragt sich wirklich noch irgendwer, warum immer weniger Menschen überhaupt noch wählen gehen?

Autor:

Andreas Rohde aus Wesel

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