Die Bahn- und Straßensperrungen zwischen Duisburg und Mülheim haben bald ein Ende
Ein „Millionen-Koloss“ schleicht zum Ziel

Projektingenieur Boris Schönfeld und Projektleiter Mehmet Catikkas (v.l.) vor der neuen Eisenbahnbrücke über den Ruhrkanal zwischen Duisburg und Mülheim. „Wir liegen voll im Zeitplan“, freuen sich beide. 
Fotos: Hannes Kirchner
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  • Projektingenieur Boris Schönfeld und Projektleiter Mehmet Catikkas (v.l.) vor der neuen Eisenbahnbrücke über den Ruhrkanal zwischen Duisburg und Mülheim. „Wir liegen voll im Zeitplan“, freuen sich beide.
    Fotos: Hannes Kirchner
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„Das Wochenende hatte es in sich. Nach der Anspannung ist jetzt ein bisschen Entspannung eingetreten. Wir liegen voll im Zeitplan.“ Mehmet Catikkas, Projektleiter des gigantischen Neubaus der Eisenbahnbrücke über den Ruhrschiffahrtskanal, ist mehr als zufrieden.

Die 134 Meter lange und gut 1.500 Tonnen schwere Stahlbrücke ist in ihrer Endposition, auf den Millimeter genau verankert. Zurzeit laufen die abschließenden Arbeiten an und auf der Brücke, in deren Neubau die Deutsche Bahn gut 30 Millionen Euro investiert hat. Gut die Hälfte davon entfiel aud die Brücke selbst. Am Samstag, 24. August, soll die Straße gegen 8 Uhr für den Verkehr wieder freigegeben werden. Am Montag, 26. August, gegen 5 Uhr, rollen dann auch wieder die Intercity- und Regionalexpress-Züge planmäßig.

Modulfahrzeuge
mit über 300 Rädern

Bei unserer Baustellenbesichtigung gießt es zunächst in Strömen. Wenige Minuten später klärt sich der Himmel auf, die Sonne lässt sich blicken. Die Gesichtszüge der Bauarbeiter und der verantwortlichen Projektingenieure hellen sich ebenfalls auf. Vergeblich sucht man einen Kran oder einen „Schlepper“, der den Stahlkoloss in Richtung Straße zum Schiffahrtskanal zieht.

„Schauen Sie mal“, sagt Projektingenieur Boris Schönfeld und zeigt auf zwei rote „Türmchen“, auf denen die in Polen gefertigte Brücke liegt und nun langsam und behutsam bewegt wird. „Das sind Modulfahrzeuge mit über 300 Rädern, die von Hand gesteuert werden.“ Matthijs Verheijen zeigt sich uns seine wie ein Tablet aussehende Schalttafel, ohne die Brücke und die Modulfahrzeuge auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

In der Ruhraue nahe der alten Ruhrkanalbrücke und in Sichtweite der Schleuse Raffelberg ist in den letzten Monaten Stück für Stück die neue Eisenbahnbrücke aus riesigen Stahlteilen zusammengeschweißt und verschraubt worden. „Die Endmontage einer Konstruktion dieser Größe ist ungewöhnlich selten und spektakulär. Wenn wir sie an den Ruhrdeich geschoben haben, erfolgt mit Hilfe von Schwimmpontons und den Schwerlastern der langsame Verschub über den Ruhrkanal in die Endlage“, so der Projektleiter. Und genau das ist jetzt vollzogen.

Montiert und
demontiert

Das Bauwerk kreuzt den Ruhrkanal, die Landstraße L140 sowie einen Fahrrad- und Fußweg. Während des Brückeneinschubs musste auch die Schifffahrt auf dem Kanal von der Ruhr zum Duisburger Hafen eingestellt werden. Die Stahlkonstruktion der Brücke, eines der größten Brückenbauwerke, die die Bahn je auf den Weg gebracht hat, besteht aus über 100 Einzelteilen, die mit Spezial-, und Schwertransporten in den letzten Wochen und Monaten aus Polen angeliefert wurden.

Damit alle Teile genau passen und die Ingenieure auf der Baustelle in der Ruhraue zwischen Duisburg und Mülheim bei der Endmontage keine bösen Überraschungen erleben mussten, sind die Brückenteile in Polen bereits einmal montiert und wieder demontiert worden. „Wir haben uns das Ganze vor Ort in Polen angeschaut und waren schwer beeindruckt“, berichten Catikkas und Schönfeld.

Als die gesamte Brücke in der dortigen 400 Meter langen Halle fertiggestellt war, wurde sie wieder demontiert. Wieder in die besagten 100 Einzelteilen zerlegt, wurde sie zur Stadtgrenze Duisburg-Mülheim transportiert. Die geprüften Bauteile wurden dann auf der Großbaustelle an der Ruhr endgültig zusammengefügt und mit tausenden Schweißnähten verbunden.

„Die wichtigsten Schweißnähte wurden mit Ultraschall und Röntgentechnik auf Herz und Nieren geprüft“, erläutert Mehmet Catikkas. Der 47-jährige Diplom-Bauingenieur bekommt fast leuchtende Augen, wenn er auf den „Koloss“ schaut: „Ich bin richtig stolz, dass ich hier in meiner Heimat ein solches Mammutprojekt begleiten darf.“ Er ist nämlich Duisburger und wohnt in Buchholz.

Der alte Mittelpfeiler
wird zurück gebaut

Seitlich der alten Brücke hat die Deutsche Bahn in den vergangenen Monaten auch neue Widerlager aus Beton für die neue Brücke gebaut. Für jeweils zwei Widerlager und deren Gründung wurden rund 1330 Kubikmeter Beton benötigt. Zudem wurden 200 Pfähle im Gleisbereich ins Erdreich gebohrt, teilweise bis zu acht Meter tief. Der Mittelpfeiler der alten Brücke wird nicht mehr benötigt und wird zurückgebaut. Die freigewordene Fläche des Pfeilers wird wiederhergestellt und renaturiert. Im Zuge des Neubaus der Ruhrkanalbrücke wurden sowohl die Oberleitung auf einer Länge von 500 Metern als auch das Gleis auf einer Länge von etwa 200 Metern erneuert.

Die neue Eisenbahnbrücke soll auf jeden Fall die nächsten hundert Jahre in Betrieb sein. Die alte Ruhrkanalbrücke hatte es mit dem ursprünglichen Baujahr 1911 immerhin auf 108 Jahre gebracht. Der Stahl für die neue Brücke wurde im Hinblick auf eine lange Haltbarkeitszeit deshalb besonders behandelt. Die Beschichtung besteht aus vier Lagen, von denen drei bereits im Werk aufgetragen wurden. Die Deckschicht wird jetzt bis zur engültigen Freigabe für den Bahnverkehr am frühen Montagmorgen direkt vor Ort aufgebracht. Zu Spitzenzeiten haben übrigens auf der riesigen Baustelle bis zu 50 Bauarbeiter gearbeitet, die jetzt die „Endphase“ einläuten.

Noch weitere
neue Brücken

In den nächsten drei bis fünf Jahren werden noch zwei weitere in der Nähe liegende Brückenbauwerke erneuert, die aber längst nicht die Ausmaße des jetzigen Projekts haben. „Wir sind bestens gewappnet“, lachte der Projektleiter.

Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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