Annas Wei(h)nachtsgeschichte oder die geklauten ;-) Gaben

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Heiligabend fiel in diesem Jahr auf den 4. Advent, also ist es natürlich auch eine erfreuliche Adventsgeschichte. Alle guten Dinge sind... drei :-) 

Anna schaute sich im Wohnzimmer um. Ja, alles war fertig soweit, der Heilige Abend konnte beginnen! Der dichte duftende Tannenbaum stand an seinem Platz und wurde nicht nur von Kerzen und Kugeln, sondern auch von einer dichten Schneedecke verziert. Sie musste schmunzeln, als sie daran dachte, wie sie im Drogeriemarkt nach „der richtigen Art“ des Schnees gefragt hat. Wattekugeln seien gut, riet die Verkäuferin, das wirkt ganz natürlich. Der Tisch war fein gedeckt und die neue Lichterkette in Form von kleinen Weihnachtskügelchen verlieh der Tischdecke mit den Weihnachtssternen einen festlichen Anstrich. Die Geschenke lagen auf dem Couchtisch bereit. Wieder zog ein Lächeln über Annas Gesicht - die Idee, in diesem Jahr erstmalig zu wichteln, sprich nur für ein Geschenk verantwortlich zu sein, sorgte bei der über 80-jährigen Verwandtschaft für Erleichterung, aber gleichzeitig erst einmal auch für Verwirrung. Und sie hatte gedacht, den Brauch des Wichtelns kennt ein jeder!

Na ja, später wurden es doch zwei Geschenke. Ein etwas Größeres für eine ausgeloste Person aus der Runde, und ein weiteres kleines für den Lostopf. Der in diesem Jahr allerdings ein Korb war, wo jeder einmal hineingreifen sollte. Also war beim ersten Geschenk Kenntnis des Wichtelopfers gefragt und bei dem zweiten etwas, das Alt und Jung, Männlein und Weiblein gleichermaßen gefallen konnte. Anna setzte sich müde auf die Couch, um einen kleinen Moment zu verschnaufen. Es war zuletzt noch recht hart gewesen, das Jahr, das sich dem Ende zuneigte. Doch die Sternstunden und kleinen Glücksmomente überwogen, so dass dies etwas war, was durchgestanden werden konnte. Und heute sollten sowieso alle Sorgen und Probleme einmal in den Hintergrund rücken. Die eigenen Malaisen. Das Altwerden der Eltern und die damit einhergehenden Gedanken. 

Nacheinander trudelten die Familienmitglieder ein und bewunderten erst einmal gebührend den Baum. Die Kartoffeln wurden aufgesetzt, das Kaninchen im Ofen warmgehalten und der Rotkohl schmurgelte vor sich hin. Walter, ein Freund von Annas Mutter Erika sorgte für Aufmerksamkeit, als er eine Flasche Rotwein aus einer der mitgebrachten Taschen zog. „Dieser Rotwein hat eine Geschichte“, setzte er an. „Ende der Neunziger habe ich ihn zusammen mit meiner Frau gekauft. Und wir haben ihn uns für eine ganz besondere Gelegenheit aufgespart. Und immer wieder haben wir es verschoben, diese Flasche Wein zu köpfen. Nun können wir ihn nicht mehr zusammen trinken und ich habe beschlossen, dass heute eine ganz besondere Gelegenheit ist.“ Anna lauschte seinen Worten und war gerührt. Ganz spontan hatten sie ihn eingeladen, den Heiligabend zusammen mit ihnen zu verbringen. Sie freute sich sehr und holte die guten Weingläser aus dem Schrank. Ein wahrhaft edler Tropfen, so würde sich nachher noch herausstellen!

Nach dem opulenten Mahl saßen sie zusammen auf dem Sofa. Vier Achtzigjährige, ein jeder mit seiner ganz eigenen Geschichte. Teilweise vom Alter gezeichnet, aber alle fröhlich und lebensbejahend. Anna wurde ganz wehmütig ums Herz, sie weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie nicht mehr alle in dieser Runde zusammenkommen werden. „Lass uns Fotos machen“, meinte sie plötzlich zu ihrem Mann Hannes. Und alle waren begeistert dabei, es war keiner darunter, der sich nicht gerne fotografieren ließ. Die Bescherung war ein Erfolg, jeder freute sich über seine Gaben und es ging lustig zu, als der Wichtel der kleinen Geschenke erraten werden soll. Die Gläser wurden nachgefüllt und alle unterhielten sich angeregt. Die Weihnachtsmusik lief nebenher, bis die „Stille Nacht“ intoniert wurde. Die ältere Generation, darunter begeisterte Chorsänger und Kirchgänger, fielen einer nach dem anderen in die Melodie ein.

Und plötzlich war es da, dieses lang ersehnte Weihnachtsgefühl, auf das Anna so sehr gewartet hatte. Denn auch die beiden jungen Leute stimmten mit ein in das Lied. Alle Hektik fiel von ihr ab. Sie legte den Arm um ihren Mann und ihre Mutter und ließ sich treiben zu den alten Melodien. Sie war überrascht über ihre Textkenntnis, wieviel sie von den ganzen Strophen noch weiß. Noch überraschter war sie allerdings, dass sie hier zusammen sang mit ihrer Familie. Ihr, der schon als Kind das Glockenspiel oder Blockflöte spielen unter dem Baum ein Garaus war. Die sich immer innerlich gewunden hatte, wenn die Eltern damals gesungen hatten. Ist es das Alter oder der gute Wein, der sie milde gestimmt hat? Ganz egal, Weihnachten war hier und jetzt… Viel zu schnell klingelte der Taxifahrer, der natürlich auch mit einem kleinen Geschenk bedacht wurde. Anna drehte mit Hannes noch eine Runde durch die frische Luft und sie genossen das Geglitzer und Gefunkel der Weihnachtsbeleuchtungen, bevor es später ans Aufräumen ging.  

Dabei fiel Anna und Hannes diese Weihnachtstüte in die Hände. Nein, kein Wichtelgeschenk und auch nichts von Annas Freundinnen, mit denen sie sich gegenseitig immer bescherte. Hm, ob die Schwiegereltern doch noch mehr Geschenke besorgt hatten? Fragend schaute Anna ihren Mann an. „Was Weihnachten unter dem Baum liegt, wird geöffnet“, meinte er augenzwinkernd. Anna nahm das kleine rechteckige Päckchen an sich, was stark an eine Schmuckschatulle erinnerte und Hannes öffnete ein Eau de Toilette. Anna freute sich sehr über den fein ziselierten silbernen Anhänger und griff sofort zum Hörer. „Wir haben gerade Eure Päckchen entdeckt“, verkündete sie freudestrahlend. „Das wäre aber echt nicht nötig gewesen.“ Schwiegervater stutzte und erwiderte, er hätte nicht mehr stören wollen und würde die Tüte am nächsten Tag abholen. Anna lachte laut auf, ja ja, immer zu Scherzen aufgelegt, der Thomas. Sie blödelte noch ein bisschen mit ihm herum, bis es ihr auf einmal dämmerte… „Äh, die Geschenke sind von Euch an Euch?“ Schallendes Gelächter allerseits und die Gaben wurden wieder eingepackt. „Du, man sieht fast gar nicht mehr, dass sie schon offen waren“, versicherte Anna ihren Schwiegereltern grinsend. „Fröhliche Weihnachten allerseits!“

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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