Interview mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen
"Manchmal kommt es vor, dass Versicherte ihre Situation schön malen"

Kerstin Sahnen, Pflegefachkraft und Teamleiterin Pflege beim MDK Nordrhein in Düsseldorf, erklärt, wie ein Pflegegrad zustande kommt.  | Foto: MDK Nordrhein
  • Kerstin Sahnen, Pflegefachkraft und Teamleiterin Pflege beim MDK Nordrhein in Düsseldorf, erklärt, wie ein Pflegegrad zustande kommt.
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Vor dem Hausbesuch des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) scheuen sich viele Menschen. Einige Patienten wollen sich aus Scham besser darstellen, als es ihre Situation tatsächlich hergibt. MDK-Teamleiterin Kerstin Sahnen will ihnen die Scheu nehmen und erklärt im Interview mit dem Lokalkompass, warum Patienten vor dem Termin keine Angst zu haben brauchen.

Wer sollte überhaupt einen Pflegegrad beantragen?

Alle, die aufgrund von körperlichen oder geistigen Einschränkungen im Alltag regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind.

Wo und wie kann ein Antrag auf einen Pflegegrad gestellt werden?

Wer Hilfe bei der Pflege benötigt, kann bei seiner Pflegekasse einen Antrag auf Pflegeleistungen stellen. Die Pflegekasse ist der Krankenkasse angegliedert. Die Kasse beauftragt dann den Medizinischen Dienst, ein Gutachten zu erstellen. Dazu kommt ein Gutachter nach Hause und stellt fest, welche Beeinträchtigungen bei der Selbstständigkeit vorliegen. Der MDK kündigt den Hausbesuch rechtzeitig an, in der Regel per Brief.


Sollten Angehörige bei dem Termin dabei sein?

Ja. Angehörige oder Pflegepersonen können die Betroffenen unterstützen und wichtige Hinweise geben.


Wie läuft so eine Begutachtung eines Patienten ab?

Die Gutachter kommen zum Versicherten, um einen Eindruck von der persönlichen Pflegesituation zu bekommen. Im Gespräch geht es darum herauszufinden, mit welchen gesundheitlich bedingten Einschränkungen und Problemen die Versicherten in der Pflege zurechtkommen müssen und welcher Unterstützungsbedarf im Alltag besteht. Der Hausbesuch kann bis zu eine Stunde dauern.


Welche Fragen werden gestellt?

Gefragt wird zum Beispiel, was im Alltag Schwierigkeiten macht oder ob sich die Person noch selbstständig fortbewegen kann. Kann sie sich noch selbst versorgen? Bestehen psychische Problemlagen und wird aufgrund dessen Hilfe benötig? Findet sich die Person örtlich und zeitlich zurecht?

Wie oft passiert es, dass Menschen versuchen, ihre Krankheit vor dem MDK zu „verheimlichen“?

Manchmal kommt es vor, dass Versicherte ihre Situation schön malen, etwa aus Scham oder weil sie sich und ihre Situation nicht mehr richtig einschätzen können.

Wie reagiert der MDK dann?

Unsere Gutachter erkennen die Defizite aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Regel sehr schnell. Sie sprechen mit den anwesenden Angehörigen, um den Eindruck zu überprüfen. Bei Zweifeln sollten die Angehörigen die Gelegenheit für ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Gutachter suchen.

Wie lange wartet der Patient durchschnittlich auf das Ergebnis der Begutachtung?

Vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zum Eintreffen des Ergebnisses der Begutachtung beim Versicherten dürfen nicht mehr als fünf Wochen vergehen. Diese Bearbeitungsdauer ist gesetzlich vorschrieben.

Kann der Patient Widerspruch einlegen, wenn er sich falsch beurteilt fühlt? Wenn ja, wo?

Ja, bei Einwänden können die Versicherten innerhalb einer Frist von einem Monat nach Erhalt des Bescheids Widerspruch bei der Kranken- bzw. Pflegekasse einlegen.

Arbeiten Sie unabhängig von den Krankenkassen, beziehungsweise von wem werden Sie beauftragt?

Wir sind ein unabhängiger Beratungs- und Begutachtungsdienst für die gesetzliche Krankenversicherung. Jede dieser Kasse kann uns mit einem Gutachten beauftragen. Unsere Gutachter sind dabei nur ihrem ärztlichen und pflegefachlichen Gewissen unterworfen. Die fachliche Unabhängigkeit ist uns sehr wichtig. Sie ist auch gesetzlich festgeschrieben und garantiert.

Warum wurden die Pflegestufen durch Pflegegrade ersetzt?

Dahinter steckt ein Wechsel der Perspektive: Entscheidend für die Einstufung in einen Pflegegrad ist nun der Grad der Selbstständigkeit. Dabei wird der ganze Mensch betrachtet. Nicht nur seine körperlichen, sondern auch die geistige Einschränkungen werden berücksichtigt.

Also wird Demenz erst neuerdings berücksichtigt?

Nein, sie wurde auch vorher schon berücksichtigt. Aber das neue Verfahren ist differenzierter und umfassender. Es berücksichtigt Bereiche des täglichen Lebens, wie zum Beispiel Mobilität, Selbstversorgung aber auch soziale Kontakte oder psychische Probleme.

Hat die Umwandlung ihren Zweck erfüllt?

Ja, das Feedback ist sehr positiv. Sowohl die Versicherten als auch unsere Gutachter sind mit dem Wechsel zufrieden. Das zeigen regelmäßige Versichertenbefragungen, die wir durchführen.

Vor dem Termin mit dem MDK:

-> Überlegen Sie vorab, was Ihnen in Ihrem Alltag besondere Schwierigkeiten macht. Wichtige Fragen können Sie schon vor dem Besuch notieren, dann werden Sie in der Begutachtungssituation nicht vergessen.
- Wobei benötigen und wünschen Sie Unterstützung in Ihrem Alltag?
- Was können Sie in Ihrem Alltag selbstständig ausführen?
-> Legen Sie folgende Unterlagen für den Besuch bereit:
- Berichte Ihres Hausarztes, von Fachärzten oder aktuelle Entlassungsberichte aus Kliniken. Sollten Sie die Unterlagen nicht vorliegen haben, brauchen Sie diese jedoch nicht extra anfordern.
- Ihren aktuellen Medikamentenplan
- Falls ein Pflegedienst zu Ihnen kommt, die Pflegedokumentation
- Bitten Sie eine Person, die Sie pflegt oder Ihre Situation gut kennt, beim

Die anderen Teile der verlagsweiten Serie finden Sie hier.

Autor:

Christian Schaffeld aus Oberhausen

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