Sozialdezernent bedient spalterische CDU/CSU-Kampagne zum Bürgergeld

Bild aus der Broschüre "Das Narratuiv von der nicht lohnenden Arbeit" (Download über Link im Text)
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Am 25.10.22 durfte sich der Essener Sozialdezernent Peter Renzel in der NRZ mal so richtig austoben: „Sozialdezernent zerreißt das Bürgergeld: Steuerzahler müssten für nicht bedürftige Leute zahlen.“ Nun gibt es sicher viele Gründe, das Bürgergeld zu verreißen, das Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) als „eine der größten Sozialreformen seit 20 Jahren“ bezeichnet.

Denn es ist in Wirklichkeit vor allem ein Etikettenschwindel, um das „H…“-Wort aus dem öffentlichen Sprachgebrauch zu tilgen. In der Nebenseite sind es vor allem vier Änderungen gegenüber Hartz IV, die als Zugeständnis an die seit 18 Jahren andauernden Proteste gegen die Hartz-Gesetze zu werten sind:

  • Die Einführung einer sechsmonatigen „Vertrauenszeit“, während der die Jobcenter auf Sanktionen für Pflichtverletzungen wie Meldeversäumnisse verzichten sollen.
  • Eine Karenzzeit von zwei Jahren, während der die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) übernommen werden.
  • In dieser Karenzzeit gilt auch ein Schonvermögen von 60.000 Euro für Hartz-IV-Bezieher sowie von 30.000 Euro für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Diese Regelung wurde bereits im Zuge der COVID-Pandemie eingeführt und wird jetzt einfach festgeschrieben.
  • Die Neuregelung der Freibetragsgrenzen für Zuverdienste ab Juli 2023.

All das ist Renzel ein Dorn im Auge. Er jammert, dass wegen der leichten Lockerung der Sanktionspraxis das Prinzip des „Förderns und Forderns“ aufgegeben werde. Er konstruiert ein Extrembeispiel, das belegen soll, dass selbst Leute mit 150.000 Euro Ersparnissen Bürgergeld beziehen könnten. Und er behauptet, das Bürgergeld sei „ein Schlag ins Gesicht derer, die jeden Tag mit eigener Hände Arbeit für ihren Lebensunterhalt sorgen und nicht auf die Leistungen des Staates angewiesen sein wollen“.

Kampf der Milchmädchen-Rechnungen

Was Renzel hier von sich gibt, ist nicht auf seinem eigenen Mist gewachsen, sondern es ist seine persönliche Umsetzung einer vom CDU-Vorsitzenden Merz und CSU-Chef Söder gestarteten Kampagne, die Arbeitende und Arbeitslose gegeneinander ausspielen und spalten soll.
Diese schäbige Kampagne der CDU/CSU wurde gerne von der AfD aufgegriffen und von der BILD aber auch den sogenannten „Qualitätsmedien“ medial transportiert. In den Medien und auf den Social Media-Kanälen von CDU/CSU, AfD und anderen tobt gerade ein Kampf der Milchmädchen-Rechnungen, wo mit allerlei Rechentricks und Falschbehauptungen die Botschaft der Kampagne „bewiesen“ werden soll:
Das Bürgergeld sorge dafür, dass sich Arbeit nicht mehr lohne. Das verstößt gegen das sogenannte Lohnabstandsgebot und muss deshalb im Interesse der arbeitenden Menschen verhindert werden.

So brachte BILD.de am 13.9. einen Vergleich zwischen einer fiktiven Bedarfsgemeinschaft (zwei Erwachsene und zwei Kinder) und einem verheirateten Maler mit ebenfalls zwei Kindern. BILD errechnet eine Differenz von 369 Euro, die der Malerhaushalt mehr hat als die Bedarfsgemeinschaft und lässt dann den Handwerkspräsidenten Wollseifer demagogisch fragen: „Viele fragen sich, warum soll ich morgens um 7 Uhr aufstehen, wenn derjenige der das Bürgergeld bezieht, fast das Gleiche bekommt“. „Vergessen“ hatte BILD in seiner getürkten Rechnung nur einige Sozialleistungen, die dem Maler und seiner Familie auch angesichts seines niedrigen Lohns zustehen, nämlich Kindergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld. Das ergibt eine Differenz von knapp über 1000 Euro. Wer mehr zu den Methoden der Kampagne wissen will, dem empfehle ich die die Ausarbeitung „Das Narrativ von der nicht lohnenden Arbeit“ von Johannes Steffen aus der auch dieses Beispiel stammt:
Das Märchen von der nicht lohnenden Arbeit

Niedriglohnsektor soll nicht angetastet werden

Zurück zum Sozialdezernenten Renzel. Fordern und Fördern war noch nie der Sinn von Hartz IV, geschweige denn der Sanktionen. Was die Hartz-Gesetze erreichen sollten, formulierte der damalige SPD-Kanzler Schröder so: „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ In diesem Niedriglohnsektor arbeiten heute rund 8 Millionen Beschäftigte, das sind im Westen 21 Prozent, in den neuen Bundesländern sogar 29 Prozent der Beschäftigten. Die sogenannte Niedriglohngrenze (zwei Drittel des durchschnittlichen Bruttostundenlohns) wird in etwa durch den gesetzlich festgelegten Mindestlohn (seit 1. Oktober 12 Euro pro Stunde) widergespiegelt. Viele erreichen diesen Stundenlohn nicht, weil sie ständig unbezahlte Überstunden machen müssen. Wer dauerhaft im Niedriglohnsektor arbeitet, für den ist Altersarmut vorprogrammiert.
Es ist eben die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors die dazu geführt hat, dass der Abstand zwischen Sozialleistungen und Löhnen geschrumpft ist. Das als Argument für die Beibehaltung des Hartz-IV-Regimes zu benutzen, ist ein scheinheiliges Ablenkungsmanöver von den Fragen, um die es wirklich geht.
Herr Renzel soll mir mal einen Paketfahrer, eine Verkäuferin, eine Friseurin, einen LKW-Fahrer zeigen, die finden, dass sich ihre Arbeit lohnt. Schon Karl Marx hat darauf hingewiesen, dass es im Kapitalismus keinen gerechten Lohn geben kann, und das nicht nur im Niedriglohnsektor.

Am Schluss des NRZ-Artikels meint Renzel, es sei ein „perfider Plan auf dem Rücken der Grundsicherungsempfänger“, wenn die Bundesregierung den Beschluss über das Bürgergeld-Gesetz nicht vom Beschluss über die Anhebung des Regelsatzes entkoppele, weil er und seinesgleichen dann dumm dastehen würden. Laut Duden bedeutet „perfide“: verschlagen, hinterhältig und niederträchtig, in besonders übler Weise gemein. Wenn etwas perfide ist, dann ist es die spalterische CDU/CSU-Kampagne auf dem Rücken der Grundsicherungsempfänger, die Renzel in der NRZ bedient.

Das wird sicher auch ein wichtiges Thema der nächsten Montagsdemo am 7. November, wie immer um 18 Uhr auf der Porschekanzel

Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

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