Wie das Outing ein langes Versteckspiel beendete
Schwul und katholisch

Angeregte Diskussion im Forum des Werdener Mariengymnasiums. 
Foto: Henschke
3Bilder
  • Angeregte Diskussion im Forum des Werdener Mariengymnasiums.
    Foto: Henschke
  • hochgeladen von Daniel Henschke

Durch die Initiative #OutInChurch und die ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ ist er auch über Essen hinaus bekannt geworden: Rainer Teuber ist seit 1996 in Kirchendiensten. Und schwul. Nun sprach er mit den Abiturienten des Werdener Mariengymnasiums.

Der Leiter der Abteilung Museumspädagogik und Besucherservice des Domschatzes Essen ist seit 2004 mit seinem Mann Karl-Heinz verpartnert: „Wir würden auch kirchlich heiraten.“ So richtig geoutet hat er sich im Bistum aber erst 2020. Damit endete eine lange Zeit der Angst und des Versteckspiels.

Wie eine Bombe

Sowi-Lehrer Maik Tapken begrüßt im Forum des katholischen Mariengymnasiums. Am Tag nach der Ausstrahlung der Doku habe es in seinem Sozialwissenschaftskurs nur ein Thema gegeben. Die Schicksale queerer Mitarbeiter der Katholischen Kirche wurden heiß diskutiert. Gut einen Monat später stand Teuber Rede und Antwort. Maik Tapken erklärte, dass das Interesse der Schüler derart groß sei, dass es nun eine Veranstaltung für die gesamte Jahrgangsstufe der Q2 geworden sei. Es moderierte einer von ihnen, der 17-jährige Jonas Niemczyk. Er hatte bereits einen Fragenkatalog seiner Mitschüler vorliegen, eine offene Fragerunde sollte sich anschließen.

Rainer Teuber mochte sich nicht setzen, lief herum, gestikulierte, ging intensiv auf die Fragen des Publikums ein. Das tat sich teils echt schwer, eine Schülerin druckste herum. Er sei ja wohl kaum von Hassbotschaften verschont geblieben, ob er es da mit der Angst bekomme? Teuber wurde ernst: „Mich erreichen schlimme Mails. Unterste Schublade. Aber viel mehr positive Rückmeldungen, sehr liebe Worte der Solidarität.“ Darüber hinaus seien Karl-Heinz und er es durchaus gewohnt, abends unterwegs zu sein, etwa in der Düsseldorfer Altstadt, und ihnen werde „schwule Säue“ hinterher gebrüllt: „Das ist Gewalt. Worte sind Taten.“

Das Outing

Zum Outing sei es eher unbeabsichtigt gekommen. Bei einer Infoveranstaltung des Bistums zum Umgang mit Missbrauchsfällen seien wieder einmal Homosexualität und Pädophilie in einen Topf geschmissen worden: „Unerträglich, wie Dinge vermischt wurden. Da ist mir der Kragen geplatzt.“ Negative Folgen blieben aus, im Gegenteil. Plötzlich war er die schwule Galionsfigur des Bistums. Fühlt er sich da manchmal als Teil eines Greenwashings? Er arbeite gerne für die Kirche, habe vom lieben Gott die Gabe mitbekommen, offen auf Menschen zugehen zu können. Aber es sei schon eine ganz andere Nummer, wenn man zur Primetime in der ARD ein Millionenpublikum in sein Wohnzimmer gucken lasse. Er sei sich des Medienechos bewusst, doch persönliche Eitelkeit sei ihm fremd, ihm gehe es da nur um die Sache.

Nun konnte man eine Stecknadel fallen hören im Rund, denn Dr. Christiane Schmidt griff zum Mikrophon. Die Schulleiterin stellte die Gretchenfrage: „Als Bischof Franz-Josef Overbeck sich im April 2010 in der Sendung von Anne Will sehr abschätzig über homosexuelle Menschen äußerte, als von schwerer Sünde sprach, wie fühlten Sie sich da?“ Rainer Teuber sei geschockt gewesen damals. Erst im Nachgang sei ihm das versteinerte Gesicht von Anne Will aufgefallen, einer bekanntermaßen lesbischen Frau. Doch nach diesen verletzenden Äußerungen habe Bischof Overbeck wirklich dazugelernt: „Er hat die volle Breitseite der Emotionen abbekommen. Und er hat einen echten Lernprozess durchlaufen, eine ehrliches Umdenken.“ Inzwischen könne er sagen: „Der Bischof ist ein töfter Typ.“

Eine Entschuldigung

Teuber möchte nicht der Kirche den Rücken kehren. Viele Freunde hätten sich zwar so entschieden, aber er bleibe: „Wir sind Teil dieser Kirche. Das Christentum hat eine frohe Botschaft, die es lohnt, verkündet zu werden. Ich lasse mir mein Katholisch-Sein nicht absprechen.“ Aber er sei sehr gespannt, ob und wann ein schwuler Priester seinen Mann heiraten könne. Demnächst werde er der Bischofskonferenz 113.000 Unterschriften einer Petition überreichen: „Wir erwarten eine Entschuldigung.“

Den Schüler, den Lehrern, der Schulleitung dagegen danke er für die Einladung. Zu seiner Schulzeit, Teuber ist Jahrgang 1968, sei es undenkbar gewesen, überhaupt das Wort auszusprechen: „Schwul“. Hier und heute spüre er, dass er unheimlich viel Energie sauge aus Gesprächen mit Schülern: „Alleine für einen Nachmittag wie diesen lohnt es sich, in der Kirche zu bleiben.“ Stille im Saal. Rainer Teuber erschrak über sich selbst: „Oh Gott, jetzt fange ich schon an zu predigen.“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.