Talentschmiede Ruhr
Ergreifendes Theater, wo sonst geboxt wird

Der Essener Verein Protego, der für seine künstlerischen Präventionsprojekte bekannt ist, gastierte bei den Boxern der Talentschmiede Ruhr an der Gerlingstraße. Schauspieler Carsten Keller spielte im Trainingsraum das ergreifende Stück "Zigeuner-Boxer". Darin geht es um den Sinto-Boxer Johann "Rukeli" Tollmann, der vom NS-Regime schikaniert, verfolgt und ermordet wurde. | Foto: VKJ
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  • Der Essener Verein Protego, der für seine künstlerischen Präventionsprojekte bekannt ist, gastierte bei den Boxern der Talentschmiede Ruhr an der Gerlingstraße. Schauspieler Carsten Keller spielte im Trainingsraum das ergreifende Stück "Zigeuner-Boxer". Darin geht es um den Sinto-Boxer Johann "Rukeli" Tollmann, der vom NS-Regime schikaniert, verfolgt und ermordet wurde.
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Neugierig betreten die jungen Erwachsenen den Trainingsraum an der Gerlingstraße. Die meisten kommen regelmäßig hier hin, sind Teil des erfolgreichen Boxprojektes der Talentschmiede Ruhr. Das Ganze ist eine Kooperation des VKJ, Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten e. V., und dem Boxring Essen. Jeden Mittwoch und Donnerstag wird hier unter fachmännischer Anleitung trainiert.

An diesem Abend steht aber ausnahmsweise mal kein Training, sondern Theater auf dem Programm! „Zigeuner-Boxer“ lautet der Titel des ergreifenden Stücks von Regisseur Jürgen Reinecke, das der Essener Verein Protego als Teil seiner künstlerischen Präventionsarbeit gegen Mobbing, Ausgrenzung, Gewalt und Hass aktuell in Vereinen, Schulen und anderen Institutionen aufführt.

In dem Theatermonolog schlüpft Schauspieler Carsten Keller in die Rolle von Hans, der auf seine Freundschaft mit dem Sinto-Boxer Ruki blickt, welcher vom NS-Regime brutal ermordet wurde. Das Stück basiert auf einer wahren Begebenheit, lehnt an das Schicksal von Johann „Rukeli“ Tollmann an. „Er war eines der größten Boxtalente seiner Zeit und wurde 1933 sogar Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Doch kurz darauf wurde ihm der Titel von den Nazis aberkannt, weil er zu ‚undeutsch‘ boxte. Trollmann war einer der ersten Boxer, der antäuschte und auswich, einen Stil wie Muhammad Ali hatte. Den Zigeuner-Boxer, wie er zu seiner Zeit genannt wurde (daher auch der Titel des Stücks), wollten damals alle sehen. Doch die Nazis nahmen ihn aufgrund seiner Herkunft als Sinto-Deutscher fest und verschleppten ihn ins KZ, wo er 1944 erschlagen wurde“, weiß Carsten Keller. Die Gräueltat an Johann „Rukeli“ Tollmann steht beispielhaft für den Völkermord der Nationalsozialisten an den Sinti und Roma.

Ausgrenzung und Mobbing müssen auch manche der ausländischen Boxer der Talentschmiede Ruhr in ihrem Leben erfahren. Und genau hier soll das Theaterstück ansetzen. Der sich anschließende Austausch bietet den jungen Erwachsenen den Rahmen, um sich mitteilen und über die eigenen Erlebnisse sprechen zu können. Ajnur (20) gefällt der sozialkritische Aspekt des Stücks, Adelhakim (19), der selbst seit acht Jahren an der Gerlingstraße boxt, interessiert sich auch für die sportliche Sicht auf das Ausnahmetalent Rukeli.

Thomas Meier, Assistenz der VKJ-Geschäftsführung, ist vom Stück und er Idee hinter der Aufführung begeistert und unterstreicht zu Beginn des Abends: „Es passt total zu uns! Und das nicht nur, weil es darin um einen großen Boxer geht. Ich bin besonders auf den geplanten Austausch gespannt und darauf, ob und wie haben die Jugendlichen reagieren.“

Konnte Carsten Keller die jungen Boxer wie gewünscht erreichen? Trainer Mohamed Zaitouni fasst seine Eindrücke des Abends wie folgt zusammen: „Es war wirklich bewegend. Keine leichte Kost und für die Jugendlichen auch nicht immer einfach zu verstehen. Aber sie konnten einige Parallelen auf ihr Leben ziehen.“ Adelhakim fügt an: „Mich hat überrascht, wie normal auch das Leben während der NS-Zeit sein konnte. In der Schule lernt man immer nur die trockenen Fakten. Man weiß, dass zu dieser Zeit Krieg und Terror herrschte, aber dass die Menschen auch zu Boxkämpfen gingen, war mir neu.“

Autor:

Vera Hopp aus Essen-Süd

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