G7 Gipfel 2015: Die Welt schaut auf Schloss Elmau - und meine Mutter schaut zurück in die Vergangenheit

Meine Mutter Ursula Verhoeven 1970

„Gut, dass wir nicht am Wochenende um den 7. und 8. Juni in Urlaub fahren“, bemerkte mein Mann neulich beim Zeitung lesen. „Da ist in Richtung Mittenwald nämlich alles gesperrt wegen des G7-Gipfels auf Schloss Elmau“. Schloss Elmau, sinniere ich, das habe ich doch schon irgendwo mal gehört, die Erinnerung reicht weit in die Kindheit zurück. Richtig, hat nicht meine Mutter von ihrem einzigen Urlaub dort so geschwärmt? Und jetzt wird auf dem Schloss also Weltpolitik betrieben, und die Anwohner der umliegenden Städte und Gemeinden sind beunruhigt und haben Angst vor möglichen Ausschreitungen der Gipfel-Gegner.

Ich klicke mich auf die Seite von Schloss Elmau und bin mehr als überrascht. Handelte es sich vor über 40 Jahren auch schon um ein Luxus-Wellness-Haus, um es mal mit meinen Worten wiederzugeben? Und wie kam meine Ma seinerzeit bloß an diese exklusive Adresse? Immer noch scheint es recht abgelegen vor schöner Bergkulisse zu liegen, was Angela Merkel, Francois Hollande, Barack Obama & Co. sehr entgegenzukommen scheint. Fragen über Fragen, ich bin sehr gespannt auf das, was meine Mutter gleich erzählen wird :-)

„Das war so“, beginnt meine Mutter, die sich sichtlich über das Interesse freut und gleich ein dickes Fotoalbum aus der Tasche kramt. „Ich hatte gerade meine Weiterbildung beendet und trat meine erste Stelle an. Meine Chefin wurde sehr krank und ich habe sie dann in der Praxis vertreten.“ Und gleich den ganzen Laden geschmissen, ergänze ich gedanklich. „Wir hatten ein gutes Verhältnis und so bekam ich als Dankeschön diesen wunderbaren Urlaub geschenkt!“ fährt sie fort. „Ich sollte dorthin schreiben und nach dem billigsten Zimmer fragen.“ Ja, das kommt mir bekannt vor, das habe ich schon mal gehört...

Das „billigste Zimmer“ entpuppt sich als kleiner Ballsaal mit einem herrlichen Alkovenbett. Ihrem Gesichtsausdruck nach ist das was ganz tolles, ich nehme mir vor, es später zu googeln. „Es war ein anthroposophisches Haus“, erzählt meine Mutter weiter. „Und so sollte ein jeder jeden kennenlernen.“ Dies geschah durch gemeinsame Aktivitäten wie Tanzstunden und Ausflüge in der tief verschneiten Landschaft. Bei der Ankunft im Schloss bekam man eine Farbe zugeteilt und jeden Abend wechselten so die Tischnachbarn im großen Speisesaal.

„Es war traumhaft schön“, meint sie versonnen, „schließlich habe ich dort auch Deinen Vater kennengelernt!“ Gedankenfetzen wirbeln auf wie die Erinnerung an Musikabende in einem Konzertsaal mit Flügel und der Buttermilchbar in einem der Kellerräume. „Die habe ich schon mit Deinem Vater getrunken...“ Langsam kehren wir beide aus der Vergangenheit zurück. Ich verspreche meiner Ma – ich werde dieses Jahr Schloss Elmau besuchen, wenn wir in Mittenwald sind. Falls wir überhaupt Zutritt bekommen, werde ich die Atmosphäre in mich aufsaugen – und ihr etwas davon zurückgeben.

© Christiane Bienemann

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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