Kämmerer Mendack über Corona-Auswirkungen
Der Rettungsschirm muss her

Mülheims Kämmerer Frank Mendack gab einen Bericht über die finanziellen Auswirkungen der Pandemie ab.
Foto: PR-Foto Köhring / AK
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Am Ende der Mülheimer Ratssitzung schenkte Frank Mendack den Stadtverordneten sauren Wein ein. Nach dem Covid-19-Isolierungsgesetz ist der Kämmerer verpflichtet, vierteljährlich einen Bericht über die finanziellen Auswirkungen der Pandemie abzugeben.

Zunächst erinnerte Mendack daran, dass sich die Haushaltslage der klammen Stadt stetig verbessert habe. Wurde 2014 noch ein sattes Minus von 113 Millionen Euro verzeichnet, konnte 2019 mit 482.054 Euro ein wenn auch minimales Plus geschrieben werden. Mendack zählte Gründe auf. So habe die Verwaltung in den letzten Jahren die Risiken für den Haushalt minimiert, etwa das unselige Kapitel der Kredite in Schweizer Franken abgeschlossen.

Nach und nach werde die Zinsbindung umgebaut: „Mittlerweile sind bereits 45 bis 50 Prozent der Kreditzinsen langfristig gesichert, und das bei verschiedenen Banken.“ Auch die kurzfristigen Verbindlichkeiten seien in einem gesunden Maß überführt worden: „Immerhin macht ein Prozent mehr an Zinsen für uns sofort 10 Millionen Euro aus.“ Weitere Instrumente waren eine eher konservative Planung der Ertragsseite, die Streichung von Stellenneueinrichtungen in der Verwaltung, Haushaltssperre und Deckelung der Aufwandsansätze. Grundsätzlich werde keine Ausweitung der Budgets mehr zugelassen.

Risikoeintritt

Alles in allem könne man mit Zuversicht auf die Finanzen blicken. Allerdings habe er schon in 2019 vor einem „Risikoeintritt“ gewarnt. Globale Risiken wie etwa der Brexit oder der USA-China-Konflikt habe er damals aufgezählt. Wenn dann ein wirtschaftlicher Abschwung eintrete, zum Beispiel in der Autoindustrie oder im Stahlhandel, seien die Folgen dramatische Einbrüche bei den Gewerbesteuererträgen sowie den Gemeindeanteilen bei Einkommens- und Umsatzsteuer. Nun sei dieses Szenario eingetroffen. Und zwar viel eher, als Mendack erahnen konnte: „Corona konnte ich natürlich in 2019 noch nicht vorhersehen.“

Die Pandemie belaste den städtischen Haushalt extrem und wie befürchtet sänken die geplanten Erträge erheblich. Frank Mendack stellte den Stadtverordneten eine Liste des Schreckens vor: Die Gewerbesteuer werde von geplanten 109,05 auf 71 Millionen Euro abstürzen. Bei der Einkommenssteuer würden Mülheim rund 10 Millionen fehlen. Weitere Verschlechterungen stellten sich beim ÖPNV dar, im Sozialbereich und beim Personal, durch Infektionsschutzmaßnahmen, die Nichterhebung von Elternbeiträgen für Kitas und Offenen Ganztag sowie durch den Wegfall von Veranstaltungen. Mendack errechnete hier für 2020 ein Minus von 16 Millionen Euro.

Einnahmeausfälle

Zwar seien Erstattungen durch Bund und Land zu erwarten, aber längst nicht in Gänze. So würden Einnahmeausfälle im ÖPNV in voller Höhe erstattet, bei den Elternbeiträgen aber nur die Hälfte. Das mache direkt ein Minus von 1,1 Millionen aus. Es gebe eine Sonderauszahlung von Stärkungspaktmitteln, auch würden die Kosten der Unterkunft für Empfänger von Transferleistungen nun in größerem Umfang erstattet.

Ein „Ausgleich“ für die Gewerbesteuerausfälle finde aber nur in geringem Umfang statt. Das Land ziehe nämlich zur Berechnung die Einnahmen zwischen Oktober 2016 und September 2019 herbei,  verglichen mit den letzten 12 Monaten. Das falle für Mülheim extrem ungünstig aus, da hier die Einnahmen aus Gewerbesteuer seit Jahren sänken. Auch seien ja bis ins Frühjahr die Einnahmen noch normal geflossen und erst dann eingebrochen. Bei dieser Berechnung gebe es halt Gewinner und Verlierer. Und wie Mülheim da abschneide, daran ließ Mendack keine Zweifel: Für Mülheim mache das bei einem erwarteten Minusbetrag von 38 Millionen Euro und lediglich 8 Millionen Euro an Erstattung eine beträchtliche Lücke aus.

Haushaltsausgleich

In der Gesamtbetrachtung sehen die Zahlen schon deprimierend aus. Insgesamt rechne man mit Pandemie-Auswirkungen von 64 Millionen Euro, dem stünden Erstattungen in Höhe von 41 Millionen gegenüber. Der „Corona-Schaden“ für 2020 betrage also in Mülheim satte 23 Millionen Euro. Weitere Hilfen vom Land seien also dringend erforderlich.

Immerhin müsse dieses Minus nicht in den städtischen Haushalt eingerechnet werden, sondern könne „isoliert“ werden. Man dürfe in 2020 und 2021 den Schaden als Sonderertrag buchen und damit neutralisieren. Das bedeute aber nur eine Kosmetik der Bilanz: „Die entsprechenden Kassenkredite müssen wir natürlich schon aufnehmen.“ Durch die Möglichkeit der Isolierung könne voraussichtlich der Haushaltsausgleich für 2020 erreicht werden. Wenn man „außerhalb von Corona“ positiv abschließe, zum Beispiel mit einem Plus von fünf Millionen Euro, mindere das natürlich den Fehlbetrag.

Düstere Aussichten

Noch fehlten der Pandemie geschuldet verlässliche Rahmendaten durch das Land, sodass man den Haushalt schieben müsse: „Das machen alle Städte.“ Die entsprechende Frist sei bis in den März verlängert worden. Bis dahin hofft Mendack, das Ausmaß der Corona-Schäden konkret darstellen zu können. Die Etateinbringung für die Jahre 2021 und folgende werde am 17. Dezember geschehen, der Ratsbeschluss für 2021 werde dann am 19. Februar erfolgen.

Für die nächsten Jahre malte Mendack ein düsteres Bild. Bis 2024 seien weitere 120 bis 150 Millionen Euro an Schaden zu befürchten: „Solange über den Finanzausgleich und Hilfen für 2021 und 2022 noch nicht entschieden ist, ist die Planungsunsicherheit für die Kommunalhaushalte immens groß. Ich möchte es unbedingt vermeiden, weiter an der Steuerschraube zu drehen. Investitionen zu kürzen, ist aber Gift für die Konjunktur. Das würde den Aufschwung gefährden. Deshalb benötigen wir rasche Zusagen für Unterstützung.“ Bund und Land hätten die Kommunen speziell im Ruhrgebiet lange genug unterfinanziert: „Wir brauchen einen Rettungsschirm, der die Steuerausfälle durch Corona auf Jahre hinaus voll erstattet.“

Mülheims Kämmerer Frank Mendack gab einen Bericht über die finanziellen Auswirkungen der Pandemie ab.
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Am Ende der Ratssitzung wurde den Stadtverordneten saurer Wein eingeschenkt. 
Foto: PR-Foto Köhring / SC
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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