Fraktionsspitzen von CDU, Grüne und SPD äußern Verdruss über „Die Verweigerer“
„Uns wird die Drecksarbeit überlassen“

Im Mülheimer Rathaus gab es auseinanderlaufende Diskussionen um den Haushalt 2019.
Foto: Archiv / Henschke
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  • Im Mülheimer Rathaus gab es auseinanderlaufende Diskussionen um den Haushalt 2019.
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Einen Tag nach der Ratssitzung sitzen die Fraktionsspitzen von CDU, Grünen und SPD zusammen und lassen die Debatten um den Haushalt Revue passieren.

Widersprüchliche Gefühle stehen im Vordergrund. Einerseits bahnt sich offensichtlich eine engere Zusammenarbeit dieser drei Parteien an. Die Einbringung eines genehmigungsfähigen Haushaltes sei ein gewaltiger Kraftakt gewesen, aber man habe zusammengefunden. So könne es gerne weitergehen, sagt Franziska Krumwiede-Steiner und schwärmt fast: „In der jetzigen Kombination bin ich da sehr zuversichtlich.“
Doch andererseits gab es auch Misstöne. Eine als Verweigerung empfundene Haltung vieler Stadtverordneter ärgert dieses Dreierbündnis sehr. Sich zurückzulehnen, während andere die unangenehmen Entscheidungen treffen müssen. Dieter Spliethoff reicht es langsam: „Uns wird wieder die Drecksarbeit überlassen. Haushalt ist nun mal mühsam. Und die bösen Sachen müssen immer wir machen.“ Denn so empfinden es alle drei: Dem genehmen Teil des Sparkonzeptes zuzustimmen und den Rest zu verteufeln, sei schlicht und einfach unseriös und populistisch. Dabei hatten die recht friedlich verlaufenen Gespräche im Vorfeld bei Franziska Krumwiede-Steiner durchaus große Erwartungen geweckt: „Ich habe wirklich bis zum Schluss gehofft auf eine noch breitere Mehrheit. Doch sie haben es einfach nicht verstanden.“ Grünen-Sprecher Tim Giesbert hatte in seiner Etatrede gepoltert: „Die Verweigerer hier im Rat wussten vorher schon, dass sie nicht konstruktiv mitarbeiten würden. Sie legen sich auf die faule Haut, während andere arbeiten.“

Eine Herzensangelegenheit

Ganz besonders imponierte Christina Küsters der Einsatz von Heinrich Böckelühr. Der Präsident der Gemeindeprüfungsanstalt NRW begleitete den Arbeitskreis Haushalt, legte die Finger in die Wunde und machte deutlich, wo in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden. Er trieb die wertvolle Kommunikation mit der Aufsichtsbehörde voran: „Das hätte er nicht machen müssen. Ich glaube, dass es ihm mittlerweile eine Herzensangelegenheit ist. Er wird auch weiterhin mit im Boot sein. Denn die Arbeit beginnt jetzt erst richtig.“ Was Dieter Spliethoff zu dem Einwurf nötigt, dass durchaus vorher schon gearbeitet worden sei. Was steht ganz oben auf der Agenda? Auch hier ist man sich einig: Der ÖPNV. Dieter Spliethoff verzieht das Gesicht: „Da wird’s schmerzlich. Wir müssen über neue Mobilitätskonzepte nachdenken. Die Menschen sollen weiter von A nach B kommen.“ Aber vielleicht zukünftig eben nur über C. Beförderung „on Demand“, also nach Bedarf, sei da ein spannendes Thema. Christina Küsters stellt klar: „Wir müssen bei den Aufwendungen hinschauen. Wir leisten uns immer noch zu viel. Es ist ein Anfang und Umsteuern.“ Durch den Einbruch der Gewerbesteuer sei die Notwendigkeit dazu noch deutlicher geworden: „Und was wird, wenn die Zinssätze für Kredite wieder steigen?“ Alles sei auf Kante genäht: „Ich denke auch nicht, dass die gute Fee kommt und uns die Schulden abnimmt.“

Wüste Beschimpfungen

Mit Anfeindungen müssen sie jetzt leben. Sie sind nunmal die Verantwortlichen für eine massive Erhöhung der Grundsteuer B. Sie sind diejenigen, die im ÖPNV kräftig sparen möchten. Das fordere offenbar in den manchmal gar nicht sozialen Netzwerken wüste Beschimpfungen geradezu heraus. Das müsse man erst einmal verarbeiten. Dieter Spliethoff geht in die Offensive: „Ich antworte da konsequent und biete Gespräche an. Ich möchte Politik erklären. Doch das Angebot wird nicht genutzt.“ Franziska Krumwiede-Steiner wird angesprochen, wenn sie die Tochter zur Kita bringt: „Da gibt es Kritik. Die ist durchaus berechtigt. Vielleicht vergisst man bei all‘ diesen Debatten um die Finanzen irgendwann wirklich den einzelnen Menschen hinter den Zahlenkolonnen. Aber wenn wir jetzt gut arbeiten und dadurch später die Grundsteuer wieder senken können, würden die Leute das verstehen.“ Christina Küsters vermisst Erklärungsansätze: „Manchmal ist das gar nicht zu vermitteln. Ich kann sogar verstehen, dass die Leute sauer sind. Doch was war die Alternative?“ Der Beauftragte des Kommunalministeriums hätte übernommen: „Wir sind nicht dafür gewählt worden, um auf der Zuschauertribüne Platz zu nehmen und zuzusehen, wie ein Fremder über unsere Stadt und das Leben ihrer Bürger bestimmt.“

Wo war der OB?

Und dann ist da noch der Mann, der in der größten Finanzkrise der Stadt gefragt gewesen wäre. Vermisst haben sie den OB in dieser schwierigen Zeit. Da kann Ulrich Scholten noch so oft beteuern, dass er bei solchen Gesprächen nichts verloren hätte und seine Vorgängerin genauso gehandelt habe. Mit dem Kämmerer sei doch genau der richtige Mann vor Ort gewesen. Das aber wollen die höchst verärgerten Fraktionsspitzen ihrem Oberbürgermeister nicht durchgehen lassen. Christina Küsters ist sauer: „Ulrich Scholten spricht immer vom Wir. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wir müssen zur Sacharbeit zurückfinden. Aber wo ist der OB bei diesem Wir?“ Er habe nicht ein einziges Mal an Sitzungen des Arbeitskreises teilgenommen, er habe auch keinerlei Gespräche in Düsseldorf geführt. Das seien immer die anderen gewesen, sogar Heinrich Böckelühr: „Er ist weder Mülheimer Bürger noch sonst wie verpflichtet, hat sich aber bei der Bezirksregierung sehr für unsere Stadt eingesetzt.“ Dieter Spliethoff hatte sich im Rat noch zurückgehalten, legt nun aber nach: „Es ist ja eine alte Kritik. Wenn ich OB bin, also der Vater dieser Stadt, muss ich zu meinen Kindern gehen und nicht in der Versenkung verschwinden.“ Franziska Krumwiede-Steiner hätte sich bei den auseinanderlaufenden Diskussionen um den Haushalt ein vermittelndes Eingreifen Scholtens gewünscht: „Der OB müsste doch die Truppen zusammenhalten.“ Wie soll bei diesem grundsätzlichen Dissens noch zusammen gearbeitet werden? Wie Ulrich Scholten wieder an den Tisch bekommen? „Gar nicht“, kontert Franziska Krumwiede-Steiner kurz und trocken.

Im Mülheimer Rathaus gab es auseinanderlaufende Diskussionen um den Haushalt 2019.
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Der Präsident der Gemeindeprüfungsanstalt NRW Heinrich Böckelühr begleitete den Arbeitskreis Haushalt.
Foto: Archiv Lokalkompass / Stadt Schwerte
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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