Ratsgruppe Tierschutz beantragt höheren städtischen Zuschuss für das Tierheim
Stadt Essen: Eklatante Unterfinanzierung des Tierheims Essen

Aufgebrachte Tierschützer auf dem Weg zum Rathaus?

Alljährlich erbringt das Tierheim Essen in der Trägerschaft des Tierschutzvereins Groß-Essen e.V. neben eigenen vereinsinitiierten Tierschutzarbeiten Leistungen FÜR die Stadt Essen. Zuletzt belief sich der Kostenanteil der städtischen Leistungen am jährlichen Kostenvolumens des Tierheim auf insgesamt 1,1 Millionen Euro. Davon erstattet die Stadt allerdings jährlich nur 550.000,-Euro. Ein Skandal - so die Ratsgruppe Tierschutz. 'Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen,' betont Marco Trauten, sachkundiger Bürger der Ratsgruppe Tierschutz im städtischen Ausschuss OPOG, der sich mit den Belangen des Tierheims befasst.

Ratsantrag zur deutlichen Erhöhung des städtischen Zuschusses
"Bei einer Unterzahlung und Nichterstattung von 550.000,-Euro und damit der Hälfte der durch die Übernahme städtischer Tierschutz-Aufgaben durch das Tierheim entstehenden Leistungen kann von einem gerechten und ausgewogenen Vertragsverhältnis nicht gesprochen werden", so Elisabeth Maria van Heesch-Orgass, Sprecherin der Ratsgruppe Tierschutz. Leistung und Gegenleistung stehen nicht einmal annähernd in ausgeglichenem Verhältnis zueinander. Vielmehr trägt die Stadt gerade einmal die Hälfte der Kosten, die durch die Übernahme und Erledigung von städtischen Aufgaben durch das Tierheim im Rahmen des Vertrages anfallen. Die Ratsgruppe Tierschutz stellt daher zum Haushalt 2022 den Antrag, den Betriebsmittelzuschuss der Stadt den tatsächlichen Ausgaben anzupassen auf 1,1 Millionen Euro. Insgesamt belaufen sich die jährlichen Betriebskosten des Tierheims aktuell auf rund 1,8 Millionen Euro.

Empfehlung des Deutschen Tierschutzbundes
Der Deutsche Tierschutzbund geht als Grundsatz davon aus, dass die Tierschutzvereine, die in ihren Tierheimen Pflichtaufgaben für Städte und Gemeinden erledigen, für diese Leistungen in vollem Umfang von den Städten und Gemeinden entschädigt werden. Eine Vielzahl von Tierschutzvereinen – und dazu gehört auch der Tierschutzverein Groß-Essen e.V. als Träger des Albert-Schweitzer-Tierheims Essen – müssen die Fundtieraufnahme und Fundtierbetreuung jedoch mit städtischen Beiträgen leisten, die von einer Kostendeckung deutlich entfernt sind. Die alternative Finanzierung fehlender öffentlicher Mittel durch Beitrags- und Spendeneinnahmen der Tierschutzvereine wird jedoch immer schwieriger, da immer mehr Einrichtungen sich durch Spendengelder finanzieren müssen. Vor diesem Hintergrund gibt der Deutsche Tierschutzbund aufgrund einer bundesweiten Datenerhebung in Tierschutzvereinen und Tierheimen die Empfehlung an die Städte und Gemeinden, eine Pauschalerstattung von Betriebsmitteln durch einen jährlichen Betriebsmittelzuschuss in Höhe von mindestens 1 Euro pro Einwohner der Gebietskörperschaft anzustreben, um so die Tierschutzarbeit zumindest zu stützen. Für die Stadt Essen entspräche dies einem jährlichen Betriebsmittelzuschuss von rund 600.000,-€.
Allerdings würde dieser Betrag bei weitem nicht die tatsächlichen Kosten abdecken, die der Tierschutzverein als Träger des Tierheims durch Übernahme von eigentlich städtischen Aufgaben jährlich schultert.

Historische Entwicklung der vertraglichen Verhältnisse zwischen Stadt und Tierheim
Der Vertrag zwischen dem Tierschutzverein Groß-Essen e.V. (gegründet 1874) als Träger des Essener Tierheims und der Stadt Essen sieht derzeit einen Betriebsmittelzuschuss im Umfang von ca. 550.000 Euro incl. Umsatzsteuer vor. Tatsächlich übernimmt der Tierschutzverein Groß- Essen e.V. Leistungen für die Stadt in Höhe von zuletzt jährlich 1.100.000,-€. Die Unterdeckung beträgt damit aktuell jährlich rund 550.000,-€.
1954 übernahm der Tierschutzverein vom Fundamt der Stadt Essen die Akte „Fundsache herrenlose Hunde“ sowie die Hundeboxen und einige Diensträume auf dem Fuhrparkgelände an der Grillostraße, die fortan als zunächst provisorisches Tierheim dienten. 1956 konnte der Tierschutzverein dieses Gelände von der Stadt anpachten, und errichtete spendenfinanziert und durch persönlichen Einsatz ein erstes tierschutzgerechtes Tierheim für ca. 70 Hunde und ca. 40 Katzen, dem 1984 ebenfalls ohne jedwede städtische Finanzhilfe ein neues Tierheim folgte. Die Stadt Essen leistete nach langer politischer Ignorierung lediglich eine Hilfestellung durch Übernahme einer Bürgschaft gegenüber der Sparkasse Essen. Die Tilgung des das Tierheim finanzierenden Darlehens erfolgte ausschließlich durch den Tierschutzverein Groß-Essen e.V.. Die Stadt Essen schloss seinerzeit einen Vertrag mit dem Tierschutzverein Groß-Essen e.V. über die Leistungen, die der Tierschutzverein zukünftig für die Stadt Essen übernehmen sollte. In diesem Vertrag wur- de nicht nur die Aufnahme und Versorgung von Fundtieren für die Stadt Essen geregelt, sondern es wurden dem Tierschutzverein Groß-Essen e.V. als Betreiber des Tierheims weitere Aufgaben übertragen, wie z.B. der Betrieb einer Kleintierkörpersammelstelle – Kadaverstation – und das Vorhalten von Quarantänemöglichkeiten für den Seuchenfall. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und in den folgenden Jahren mehrfach angepasst. Zuletzt wurde der städtische Betriebsmittelzuschuss von 200.000,-€ auf 550.000,-€ erhöht. Dieser Vertrag, der eigentlich nach Ablauf von 2020 den aktuellen Bedarfen angepasst werden sollte, läuft aktuell unverändert weiter und deckt bereits jetzt bei weitem nicht die tatsächlichen Kosten.

Großes Aufgabenspektrum des Tierheims - auch Übernahme städtischer Pflichtaufgaben
Die kontinuierlich große Zahl von Fundtieren und sichergestellten Tieren in einer Großstadt wie Essen mit einer zusätzlich auch noch deutlichen Steigerung in der Coronaphase hat dazu geführt, dass zur Aufnahme, Versorgung und Vermittlung von Tieren mittlerweile im Wesentlichen hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den Tierschutzverein Groß-Essen e.V. beschäftigt werden müssen, die darüber hinaus von zahlreichen ehrenamtlich Tätigen unterstützt werden. Derzeit sind im Albert-Schweitzer-Tierheim 44 hauptamtliche Mitarbeiter/innen (ent- spricht 35 Vollzeitäquivalenten), davon 9 Auszubildende beschäftigt. Die immer stärkere Ausdünnung des Personalbestandes im Ordnungsamt und Veterinäramt der Stadt Essen erfordert darüber hinaus ein immer stärkeres Engagement der im Tierheim beschäftigten Mitarbeiter/innen des Tierschutzvereins Groß-Essen bei eigentlich städtischen Aufgaben (z.B. Beteiligung bei Wohnungsöffnungen, Übernahme von Tieren, die nicht zum Vertragsumfang des Tierheim-Vertrages gehören usw.). Des Weiteren sind rund 200 (zweihundert) ehrenamtliche BürgerInnen für den Tierschutzverein und das Tierheim in den unterschiedlichsten Bereichen aktuell aktiv und regel- mäßig im Einsatz (Pflegestellen, Betreuung uva.). Weitere rd. 200 (zweihundert) BürgerInnen sind registriert als EhrenamtlerInnen auf Abruf und bei Bedarf.
Auf Basis der geprüften Bilanz des Tierschutzvereins Groß-Essen e.V. für das Jahr 2020 sowie aufgrund einer vom Verein vorgenommenen Berechnung des jährlichen Futterbedarfs für 2020 ergab sich ein Aufgabenvolumen allein in 2020 von ca. 1,85 Millionen Euro für den Betrieb des Albert-Schweitzer-Tierheims. Bei Zugrundelegung des auf die Stadt Essen entfallenden Anteils an Tieren von 60 % an allen Belegungstagen eines Jahres ergibt sich ein Betrag von ca.1,1 Milli- onen Euro, der auf die Stadt Essen jährlich entfiele, wenn eine vollständige Kostendeckung für den Verein erreicht werden sollte.

Bezogen auf ein Jahr stellen sich die Zahlen somit so dar:
Tatsächlicher Kostenanteil Stadt Essen: 1.100.000,-€
Tatsächlicher Betriebsmittelzuschuss Stadt Essen: 550.000,-€
Unterzahlung der Stadt für tatsächlich erbrachte Leistungen des Tierheims: 550.000,-€

Bei einem städtischen Betriebsmittelzuschuss von nur rund 550.000 Euro (Stand 2021) erbringt der Tierschutzverein Groß-Essen e.V. mit dem Tierheim derzeit folgende Leistungen:
- Fundtieraufnahme und -versorgung (Heimtiere)
- Fundtierabgabe während der Öffnungszeiten
- Abholung festgesetzter Fundtiere in der Zeit von 8-17 Uhr auf Essener Stadtgebiet
- Bereitstellung von Aufnahmezwingern und -boxen für Fundtiere außerhalb der Öffnungszeiten (Einlieferung durch Feuerwehr)
- Führen von Bestandslisten / Tierdatenabgleich
- Aufnahme von Verlustmeldungen
- Aufnahme von Sichtmeldungen
- Recherche zur Ermittlung von Tierbesitzern zum Zweck der Rückführung von Fundtieren
- Medizinische Versorgung der Tiere (Bereitstellung tierärztlicher Leistung)
- Pflege und Betreuung der Tiere (Tierpflege)
- Tiervermittlung in ein neues Zuhause
- Tollwutquarantäne für Hunde
- Vorhalten von Quarantänezwingern/-boxen für Hunde
-  Aufnahme von aus dem EU-Ausland oder Drittländern eingeführten Hunden ohne
- Impfstatus (nach Anweisung des Veterinäramtes)
- Versorgung und Betreuung der „Quarantänehunde“
- Rückgabe der Hunde nach abgeschlossener Quarantäne und Freigabe durch das Veterinäramt an Besitzer
- Übernahme und Betreuung von nicht von ihren Besitzern abgeholten „Quarantänehunden“ nach abgeschlossener Quarantäne und Freigabe durch das Veterinäramt
- Sicherstellung und Versorgung sichergestellter Tiere
- Sicherstellung von Tieren aus schlechter Haltung (aus Wohnungen, Stallungen, Zwingeranlagen, Kellern, etc.)
- Sicherstellungen bei Tierhaltung in großen Mengen aufgrund von Sammelleidenschaft (Animal Hording)
- Sicherstellung von Tieren bei fehlender Tierhaltegenehmigung des Besitzers
- Notobhuten (nach Zuweisung durch das Ordnungsamt / Veterinäramt)
- Aufnahme von in geräumten Wohnungen zurückgelassenen Tieren
- Aufnahme von Tieren z.B. bei Inhaftierung ihrer Besitzer
- Betrieb der Kleintierkörpersammelstelle
- Annahme von im Straßenverkehr getöteter Tiere nach Anlieferung durch das Tiefbauamt
- Abgleich mit Verlustmeldungen
- Prüfung der Kadaver auf Registrierungskennzeichen (Mikrochip, Tätowierung) und Ermittlung von Besitzern mit dem Ziel der Information
- Annahme toter Tiere aus Tierarztpraxen und Privathaushalten
- Sicherstellung der Entsorgung durch zertifizierte Firmen

Juristisch unhaltbarer Vertrag mit drastischer Unterzahlung seitens der Stadt
Die Erhöhung des städtischen Betriebsmittelzuschusses wie seitens der Ratsgruppe Tierschutz im Stadtrat beantragt ist daher dringend geboten und entspricht einer tatsächlichen angemessenen Kostenübernahme für tatsächlich erbrachte Leistungen. Nur dann ist im juristischen Sinne wie im Vertragsrecht üblich ein synallagmatisches Austauschverhältnis gegeben, d.h. Leistung und Gegenleistung stehen sich gleichwertig und ausgewogen gegenüber. Die fortdauernde Ignoranz der in Essen regierenden Mehrheitspolitik für dieses Thema wie für Tierschutzthemen generell, aktuell auch der schwarz-grünen Ratsmehrheit, ist ein Armutszeugnis und nicht hinnehmbar, so die Ratsgruppe Tierschutz,  die mit ihrem aktuellen Betriebsmittelerhöhungsantrag Bewegung in das Thema bringen möchte. "Gerne hätten wir die Thematik am Runden Tisch Tiere des Stadtrates eingebracht. Da dieser in der seit über einem Jahr laufenden aktuellen Ratsperiode jedoch noch nicht ein einziges Mal seitens der städtischen Tierschutzbeauftragten (Bündnis 90/Die Grünen) einberufen worden ist, war dieser Weg nicht möglich," rügt Marco Trauten.

Autor:

Elisabeth Maria van Heesch-Orgass Tierschutz Essen aus Essen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

12 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.