Nationalspielerinnen im Exklusiv-Interview
"Unglaubliches Gefühl bei der WM dabei zu sein"

Turid Knaak (l.) und Marina Hegering (r.) haben bereits beim FCR 2001 Duisburg und Bayer 04 Leverkusen zusammen gespielt. Mit dem FCR gewannen sie 2009 gemeinsam die UEFA-Champions-League. Die SGS Essen ist ihre dritte gemeinsame Station. | Foto: Christian Schaffeld
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  • Turid Knaak (l.) und Marina Hegering (r.) haben bereits beim FCR 2001 Duisburg und Bayer 04 Leverkusen zusammen gespielt. Mit dem FCR gewannen sie 2009 gemeinsam die UEFA-Champions-League. Die SGS Essen ist ihre dritte gemeinsame Station.
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Turid Knaak und Marina Hegering kämpften bei der Frauenfußball-WM im Juli mit der Deutschen Nationalmannschaft um den Titel. Im Interview mit dem Stadtspiegel sprechen die beiden Spielerinnen von der SGS Essen über das frühe Aus, die damit verpasste Olympia-Quali und die Ziele mit der SGS. Dass Marina Hegering überhaupt noch Fußball spielen kann, grenzt allerdings an ein Wunder...

Das Interview mit den beiden WM-Teilnehmerinnen führte unser Volontär Christian Schaffeld.

Die WM ist mittlerweile vier Wochen her. Konntet ihr die Erlebnisse schon Revue passieren lassen?

Hegering: Ja, der Alltag kam dann doch relativ schnell wieder. Turid und ich hatten die gleiche Situation, dass wir kurz darauf wieder arbeiten gegangen sind. Dadurch verarbeitet man das schon auf eine gewisse Art und Weise. Mit dem Alltag kehrt praktisch Normalität ein.

Knaak: Wir haben uns auch darüber unterhalten, dass wir es beide ganz gut fanden, dass man direkt in den Alltag zurückgeworfen wurde. Dadurch haben wir nicht noch lange zuhause rumgesessen, wodurch man vielleicht doch in ein Loch fallen könnte.

War das Ausscheiden bei der WM für euch eine große Enttäuschung?

Hegering: Natürlich war es eine Enttäuschung, weil die Olympia-Quali unser großes Ziel war. Das haben wir durch das Ausscheiden nicht geschafft. Wir sind jetzt zum ersten Mal nicht bei den Olympischen Spielen dabei.

Welche Lehren zieht ihr denn aus dem Aus? Kann man da auch etwas Positives mitnehmen?

Knaak:
Es ist wahrscheinlich das, was vorher schon viele wussten, nämlich dass die Weltspitze immer dichter zusammenrückt. Wir merken, dass es immer mehr Mannschaften gibt, die Ambitionen auf den Titel haben und dass es eben kein Selbstläufer ist, wie es vielleicht früher mal war. Eine konkrete Aufarbeitung mit Mannschaft und Trainerteam wird es erst noch geben. Da müssen wir besprechen, wo die Fehler lagen, was wir hätten besser machen können und was wir in Zukunft anders machen können. Das wird noch ein großes Thema sein, wenn man sich beim nächsten Mal bei der Nationalmannschaft trifft.

Marina, du bist 2010 bereits als Spielführerin U20-Weltmeisterin geworden. Mit dabei waren damals auch Alexandra Popp und Dzsenifer Marozsán. Dann kam eine schwere Verletzung, die dich sieben Jahre außer Gefecht setzte. Was ist das für ein Gefühl, jetzt doch wieder dabei gewesen zu sein?

Hegering: Dieses Jahr war sehr ereignisreich für mich. Es war alles sehr überraschend und natürlich auch emotional. Es war ein unglaubliches Erlebnis nach einer so langen Zeit auf einmal dabei zu sein. Da habe ich ehrlich gesagt so auch nicht mit gerechnet. Der Fokus richtete sich bei mir lange wirklich nur darauf, jemals wieder Fußballspielen zu können.

Turid, du bist bei der WM ohne Einsatz geblieben. Wie hast du das Turnier miterlebt?

Knaak:
Genau. Ich hatte bei der WM leider keinen Einsatz und war auch ein Stück weit enttäuscht. Natürlich möchte man spielen und der Mannschaft helfen, aber ich weiß auch, dass es ein großer Kader ist, in dem jeder spielen möchte. Ich denke trotzdem, dass ich es ähnlich wie die anderen erlebt habe. Ich habe mir auch mehr erhofft und war über das Ausscheiden sehr enttäuscht. Ich habe bei der WM auf anderen Wegen versucht, der Mannschaft zu helfen.

Welche Wege sind das?

Knaak: Erstmal versuchen, die Trainingsqualität möglichst hoch zu halten. Letztendlich brauchst du mehr als elf Spielerinnen zum Trainieren, um Inhalte üben zu können. Dann brauchst du außerhalb des Platzes auch einen gewissen Teamspirit und eine positive Atmosphäre. Das habe ich auch immer versucht, mit in die Mannschaft einzubringen.

Ihr unterscheidet euch von einigen anderen Nationalspielerinnen in soweit, dass ihr neben dem Fußball arbeiten geht. Wie schafft ihr es, alles unter einen Hut zu bringen?

Hegering:
Ich kenne es nicht anders. Früher ist man zur Schule oder zur Uni gegangen und danach zum Training und jetzt ist es halt die Arbeit. Am Ende ist es eine Tätigkeit neben dem Fußball.

Knaak: Außerdem haben wir bei der SGS den Vorteil, dass wir erst relativ spät am Nachmittag trainieren. Das ist bei anderen Vereinen anders, weshalb es dort wahrscheinlich etwas schwieriger wäre. Klar ist beides für uns auch Stress und ein Belastungsfaktor, aber es ist uns beiden auch einfach wichtig zu arbeiten, um nach der Karriere ein Standbein zu haben. Das finde ich total wichtig. Deshalb nehmen wir diese Belastung auch in Kauf.

Ein Werbespot, der sämtliche Klischees über den Frauenfußball erfüllt hat, sorgte im Vorfeld der WM für Aufregung. Warum gibt es aus eurer Sicht immer noch so viele Vorurteile gegenüber des Sports?

Hegering:
Wir stehen einfach nicht im Fokus. Ich meine, wenn man den Prozess nicht verfolgt, packt man natürlich ganz gerne Vorurteile aus. Dann hat man halt nur die Klischees vor Augen. Der Spot sollte das mal ein bisschen aufheben und mehr Aufmerksamkeit darauf richten, dass es in Zukunft nicht mehr so ist. Das ist glaube ich ganz gut gelungen. Ich habe viel positives Feedback bekommen. Der Spot ist natürlich auch total eingeschlagen - provokativ eben.

Insgesamt haben eure WM-Spiele knapp 30 Millionen Zuschauer im Fernsehen verfolgt. Ist der Frauenfußball auf dem Vormarsch? Merkt ihr das in eurem Umfeld?

Knaak: Na gut, in unserem Umfeld ist es so, dass alle etwas mit Frauenfußball zu tun haben, weil sie etwas mit uns zu tun haben. Ich glaube, das ist ein bisschen schwierig zu beurteilen. Es ist ja nicht so, dass die Zuschauerzahlen in der Bundesliga in den letzten Jahren groß gestiegen sind oder wir mehr mediale Präsenz bekommen. Ich weiß nicht, vielleicht kann sich Deutschland ein bisschen am europäischen Umland orientieren. Dort habe ich das Gefühl, da bewegt sich etwas. In Spanien und England wird in den Ligen zurzeit einiges investiert und dem Frauenfußball auch mehr Bedeutung zugesprochen.

Macht sich das denn dort bemerkbar?

Knaak:
Ich finde schon. Bei einem Pokalspiel in Spanien schauten 50.000 Zuschauer zu. Da hinkt Deutschland hinterher. Das ist in soweit etwas schade, weil wir im Frauenfußball eigentlich immer eine gewisse Vormachtstellung in Europa hatten und die ein bisschen zu verlieren drohen. Dadurch könnte es in Zukunft passieren, dass die Liga für Spielerinnen auch nicht mehr so attraktiv ist.

Hegering:
Bei der WM hatten wir das Glück, dass sonst kein großes Turnier war. Klar gab es die U21-EM. Allerdings waren die Anstoßzeiten unterschiedlich, sodass wir da auch ein bisschen Glück hatten. In so einer sportflauen Phase schaut der ein oder andere vielleicht auch deshalb zu.

Glaubt ihr, dass ihr genug Werbung bei der WM gemacht habt und der Hype in der Bundesliga anhalten wird?

Knaak: Das ist halt die Frage.

Hegering:
Das kann man pauschal nicht beantworten, das muss man schon schauen. Aber grundsätzlich sind die Zuschauerzahlen ja schon konstant geblieben. Es ist aber auch schwer zu vereinbaren. Wir spielen halt Sonntag mittags. Ich glaube das ist nicht von jedem die Lieblingszeit.

Das heißt, du glaubst, zu einer anderen Anstoßzeit, würden mehr Zuschauer ins Stadion strömen?

Hegering: Also Samstag um 15.30 Uhr sollten wir auch nicht spielen, weil dann ist das Stadion leer. (lacht). Es muss einfach die mediale Präsenz zunehmen.

Wie zufrieden seid ihr denn mit der bisherigen Saisonvorbereitung?

Knaak: Wir haben ja noch nicht so viel mitgemacht. Ich trainiere jetzt seit zwei Wochen wieder mit. Deshalb kann ich da noch nicht viel zu sagen. Was ich allerdings so gehört habe, ist es in den Testspielen bisher ganz gut gelaufen. Ich glaube wir sind gerade dabei uns mit den Neuzugängen und dem neuen Trainer zu finden. Wir müssen schauen, was seine Philosophie und was unsere Philosophie ist und wie wir diese zusammen bringen können.

Hegering:
Ich konnte erst einmal mit der Mannschaft trainieren, da ich noch muskuläre Probleme hatte. Deswegen kann ich da nichts zu sagen.

Spürst du durch den Trainerwechsel schon Unterschiede?

Knaak: Jeder Trainer hat eine andere Philosophie und legt einen anderen Fokus im Training. Natürlich sind es jetzt erstmal neue Übungen im Training. Manche Trainer legen mehr Wert auf Taktik, während andere mehr aufs Spielerische gehen. Daher gibt es da schon Unterschiede.

Wie schwer wird es die zum FC Bayern gewechselte Linda Dallmann zu ersetzen?

Hegering: Spieler kann man nie eins zu eins ersetzen.

Knaak: Eine Linda Dallmann ist eine Spielerin, die immer sehr wichtig für Essen war. Sie konnte auch Spiele entscheiden. Man muss aber auch sagen, dass wir einen Großteil der letzten Saison verletzungsbedingt auf sie verzichten mussten. Ich glaube, dass wir es da auch schon ganz gut kompensiert haben und ich hoffe, dass wir es in der neuen Saison auch so fortführen können.

Ihr habt mit der Partie gegen Ajax Amsterdam noch ein Testspiel vor dem Bundesligastart. Ist das nochmal ein Gradmesser?

Hegering:
Definitiv. Holländische Mannschaften sind immer körperlich sehr präsent. Das ist ein Punkt, in dem wir uns verbessern können und auch müssen.

Am ersten Spieltag kommt es für euch beide direkt zum Wiedersehen mit eurem Ex-Klub Bayer 04 Leverkusen. Wie besonders sind diese Spiele für euch?

Knaak:
Gegen Bayer zu spielen ist immer etwas Besonderes. Wir haben dort beide sechs Jahre gespielt. Man trifft viele alte Bekannte wieder. Es ist immer etwas besonderes, gegen Ex-Vereine zu spielen.

Hegering:
Turid hat es schon richtig gesagt. Auch für mich sind die Spiele gegen Leverkusen immer etwas ganz Besonderes.

Welche Saisonziele wurden denn mit der SGS formuliert?

Hegering:
Es gibt keine offizielle Formulierung. Allerdings haben wir schon Dinge, woran wir uns orientieren wollen. Wir sind letztes Jahr Vierter geworden und wollen versuchen, diese Leistung zu wiederholen. Aber man muss auch sagen, dass wir da eine für uns nahezu perfekte Saison gespielt haben. Das kann man nicht so einfach wiederholen. Von daher wird es ein ganzes Stück Arbeit werden.

Knaak:
Wir haben jetzt einen kleinen Umbruch mit einem neuen Trainer und einer Linda Dallmann, die weg fällt. Auch mit Sarah Freutel oder Isi Hochstein, die jahrelang im Verein waren, sind wichtige Stützen weggebrochen, die die SGS Essen getragen haben. Aber ich glaube, dass wir eine gute schlagfertige Mannschaft zusammen haben.

Ist auch der Gewinn des DFB-Pokals ein realistisches Ziel?

Hegering: Das ist der einzige Wettbewerb, in dem wir einen Titel holen können. Mit etwas Losglück können wir da sicherlich sehr weit kommen. Das ist immer ein Ziel.

Knaak:
Im DFB-Pokal ist immer etwas möglich.

Autor:

Christian Schaffeld aus Oberhausen

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