Neumühler Hausärzte zogen die Reißleine
„Das ging alles ganz schön an die Nerven“

Nach dem Ärger und dem Aus für die Hausarztpraxis in Neumühl gab es Erleichterung und Aufatmen für Dr. Hans-Albrecht von Chlingensperg, Dr. Guido Ackermann und Alfred Heinrich (v.l.). Das gilt auch für die Patienten, die jetzt wieder eine medizinische Versorgungs-Sicherheit haben.
Foto: Reiner Terhorst
2Bilder
  • Nach dem Ärger und dem Aus für die Hausarztpraxis in Neumühl gab es Erleichterung und Aufatmen für Dr. Hans-Albrecht von Chlingensperg, Dr. Guido Ackermann und Alfred Heinrich (v.l.). Das gilt auch für die Patienten, die jetzt wieder eine medizinische Versorgungs-Sicherheit haben.
    Foto: Reiner Terhorst
  • hochgeladen von Reiner Terhorst

Zwei Hausärzte in Neumühl haben ihre Gemeinschaftspraxis am ehemaligen St. Barbara-Krankenhaus nach Dauerärger mit dem insolventen Areal-Entwickler Harfid geschlossen. Für sie und die Patienten geht es dennoch weiter.

Schon seit Ende 2021 hatten die „Praxis-Urgesteine“ Dr. Hans-Albrecht von Chlingensperg und Alfred Heinrich fast keine direkten Kontakte zu Harfid. Anfragen und Probleme wurden von deren freien Mitarbeiter Carsten Tum, dem früheren Planungsdezernent der Stadt Duisburg, entgegengenommen und geregelt.

Seit Ende 2022 (!) gab es nach der Harfid-Insolvenz aber überhaupt keinen Kontakt mehr zu dem Essener Bauunternehmen. Trotz unzähliger Versuche per Telefon, auf dem Postweg und mit E-Mails. Nach der schier unendlichen Funkstille haben die beiden Ärzte endültig die Reißleine gezogen.
Die Situation in der Praxis an der Schroerstraße 2 gegenüber dem Haupteingang des verwaisten Krankenhauses wurde immer unerträglicher.

Mehrere Einbrüche

Da es von Harfid keine Hilfe gab, war „Selbsthilfe aus der Not geboren“ angesagt. Im gesamten Jahr 2022 und auch in 2023 kam es wiederholt zu Strom- Heizungs- und Wasserausfällen. Folge: Eigene Generatoren wurden angeschafft, selbst bezahlt und mehrfach in der Woche aufgetankt. So seien hohe Zusatzkosten entstanden.

Zudem kam es zu mehreren Einbrüchen im Gebäude, in dem sich auch noch das ungenutzte Harfid-Büro und die verlassene Handchirugie des früheren Krankenhauses befand. „Das alles war kein Zustand“, erläutert Alfred Heinrich, „und hat für schlaflose Nächte gesorgt, ging an Psyche, Körper und Geldbeutel. Zwischendurch mussten wir sogar die Praxis für eine komplette Woche schließen. Kein Strom, kein Wasser. Danach blieben auch erste Patienten weg.

„Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagt Dr. Hans-Albrecht von Chlingensperg, „kein Mensch hat sich um uns gekümmert.“ Man habe im Grunde genommen gar keine andere Wahl gehabt, als die Praxis aufzugeben“, so die beiden Ärzte.

Sorge und Fürsorge

Den Schritt hätte man viel ehr vollziehen sollen, meinen sie rückblickend. Aber die lange Verbundenheit zum Stadtteil, die Sorge um die hausärztliche Versorgung in Neumühl, die Sorge um die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und vor allem die Fürsorge für ihre Patienten hätten sie lange zögern lassen.

Dann gab es den Zeitpunkt, wo es einfach nicht mehr ging. Im Hausflur brannte seit Monaten kein Licht mehr. Strahler wurden auf eigene Kosten angebracht, mit Notstromaggregat betrieben. Weitere Kosten sind dadurch entstanden. Man hat Regressansprüche gestellt, die allesamt ins Leere gingen. Schließlich kam es im März letzten Jahres zur Wochen vorher angekündigten Einstellung der Miertzahlungen. Wieder keine Reaktion.

Im Juni 2023 wurde der Mietvertrag fristgerecht zum Jahresende gekündigt. Die Zeit bis dahin haben die beiden alteingessenen Neumühler Ärzte genutzt, „um das Feld zu bestellen“. Wie gerne hätten Dr. von Chlingensperg (65 Jahre) und Heinrich (72) die Praxis an Nachfolger übergeben. Doch das schied aufgrund des unhaltbaren Zustandes von vornherein aus.

Lösung gefunden

So habe man sich umgehört und eine tragbare Lösung gefunden. Zu Dr. Guido Ackermann hatten beide schon seit langer Zeit Kontakt. Der hat seine Praxis an der Kaiser-Friedrich-Straße 219 in Röttgersbach, „nicht ganz vor der Haustüre, aber immer noch in der Nähe von Neumühl und gut erreichbar“.

„Ich bin inzwischen auch schon 64 und seit 25 Jahre hier Einzelkämpfer mit der vermutlich größten Einzelpraxis im Umfeld. Der Wunsch nach Entlastung wurde immer größer“, berichtet Dr. Ackermann. Schnell kam es zu einem „sinnvollen Einvernehmen“.

Dr. von Chlingensperg ist jetzt Angestellter bei Dr. Guido Ackermann und Alfred Heinrich übernimmt dort weiterhin Vertretungsaufgaben. Die bisherigen Patientinnen und Patienten der Neumühler Gemeinschaftspraxis sind „ihren“ Ärzten weitgehend gefolgt. Auch die Mitarbeiterinnen sind untergebracht. Zwei von ihnen arbeiten jetzt in der Praxis an der Kaiser-Friedrich-Straße, eine ging in Rente und die anderen sind allesamt bei verschiedenen Ärzten untergekommen.

„Das alles beruhigt“, sagen die drei Mediziner, „und wir haben jetzt etwas mehr Zeit für unsere Hobbies, Sport, Familie und Freizeit“.

Nach dem Ärger und dem Aus für die Hausarztpraxis in Neumühl gab es Erleichterung und Aufatmen für Dr. Hans-Albrecht von Chlingensperg, Dr. Guido Ackermann und Alfred Heinrich (v.l.). Das gilt auch für die Patienten, die jetzt wieder eine medizinische Versorgungs-Sicherheit haben.
Foto: Reiner Terhorst
Da herrschte noch eitel Sonnenschein. Als das Essener Bauunternehmen Harfid die Entwicklung des Barbara-Areals in Neumühl übernahm, gab es eine große Bürgerinformation auf dem Parkplatz der Gemeinschaftspraxis. Politik, Verwaltung und Bürger waren dankbar und zufrieden. Dann musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Die Zukunft des Quartiers ist seitdem ungewisser denn je.
Foto: Reiner Terhorst
Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

36 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.