Anmerkungen zur Bundestagswahl 2021(4)
Interview mit Gabi Fechtner, Direktkandidatin der Internationalistischen Liste/MLPD

Als Bürgerreporter im Gespräch mit Gabi Fechtner (MLPD).

Am Rande eines Straßenumzugs in Karnap konnte ich gestern ein kurzes Interview mit Gabi Fechtner führen, Direktkandidatin der Internationalistischen Liste/MLPD im Wahlkreis 119. Das war mir deshalb ein besonderes Anliegen, weil ich das systematische Totschweigen kleiner Parteien in den Massenmedien so langsam unerträglich finde.
Gabi Fechtner (43) ist gelernte Werkzeugmacherin. Seit 2017 ist sie Vorsitzende der MLPD und lebt seitdem im Ruhrgebiet. Ihre Basisarbeit macht sie im Essener Norden. Sie ist in Solingen aufgewachsen und war dort u.a. 10 Jahre für das überparteiliche Personenwahlbündnis „Solingen aktiv“ als Stadträtin tätig. Ich kenne Gabi Fechtner persönlich seit einigen Jahren, unter anderem durch die Zusammenarbeit im Internationalistischen Bündnis, in dem auch „Essen steht AUF“ eine der vielen Trägerorganisationen ist.

Obwohl Du und Dein Wahlkämpfer-Team im Stadtbild kaum zu übersehen seid, hat man als Leser und Hörer von Funke-Medien wie WAZ/NRZ, Stadtspiegel oder Radio Essen den Eindruck, Euch gibt es gar nicht. Wie kann das sein?

Ja, die Diskrepanz zwischen der realen Arbeit der Parteien und der jeweiligen Medienpräsenz wird immer größer. Keine der anderen Parteien macht in diesem Maße Straßenwahlkampf vor Betrieben, in den Stadtteilen und im direkten Gespräch mit den Menschen wie die MLPD. Wer hat eine solche organisierte Struktur und Mobilisierungskraft wie die MLPD in den wichtigsten Konzernbetrieben Deutschlands und sämtlichen relevanten gesellschaftlichen Bewegungen? Es ist eine Frechheit, wie der Medienboykott begründet wird. Die MLPD wurde ausdrücklich vom Bundeswahlausschuss zu dieser Wahl zugelassen. Die Medien begründen ihren Boykott aber unter anderem mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Steht der höher als die Gremien, die uns zugelassen haben? Der Verfassungsschutz tritt seit Jahren als mehr oder weniger kriminelle Vereinigung hervor, die von Faschisten durchsetzt ist, die sich z.B. im Umfeld des NSU befanden. Und dieses Gremium soll nun entscheiden, über wen und wie die Menschen vor der Wahl informiert werden? Das ist Antikommunismus pur. Wir sagen dagegen „Gib Antikommunismus keine Chance“ und fordern eine sachliche und demokratische Diskussion über den Sozialismus. Wann wenn nicht jetzt muss diese geführt werden, wo der Kapitalismus dermaßen krisengeschüttelt ist? Eine zweite Quelle für diese Art der Behandlung auch anderer kleiner Parteien ist die sogenannte abgestufte Chancengleichheit. Das ist so etwas wie ein schwarzer Schimmel. Das ist eine Regelung, die dafür sorgt, dass größere Parteien abgestuft mehr Sendezeit im Fernsehen, Seiten und Zeilen in den bürgerlichen Medien und in vielen Städten auch Plakate kriegen. Im Ergebnis hat bei solchen Wahlen gar nicht jede Partei den gleichen Ausgangspunkt, sondern es wird gefördert, dass die stark bleiben, die stark sind und die kleineren Parteien keine wirkliche Chance haben. Wir kämpfen um jede Stimme und haben uns noch nie vom Wohlwollen solcher Medien abhängig gemacht. Trotzdem ist das natürlich eine massive Wahlbehinderung.

Was hat Dich bewogen, im Wahlkreis 119 als Direktkandidatin anzutreten?

Ich bin seit Jahren viel und sehr gerne im Essener Norden unterwegs. Der Charme der Industriekultur wie auf Zeche Zollverein, die Tradition des Bergbaus, die harte aber herzliche Streitkultur in der Bevölkerung, die internationale Zusammensetzung - das alles ist absolut liebenswert. Es ist gerade deshalb übel, wie die bürgerliche Politik den Essener Norden abschreibt. Die Ruhrkohle AG und andere Konzerne haben hier verbrannte Erde hinterlassen. Die weit überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit ist verursacht durch den gescheiterten Strukturwandel. Konzerne wie die RAG haben angeblich alle Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut, aber fast keine wurden neu geschaffen. Tonnenweise wurde Giftmüll unter Tage eingelagert, und es ist mit großen Gefahren für unser Trinkwasser verbunden, wenn die RAG nun die Wasserhaltung einschränkt. Die Leute haben oft ihr Leben lang gearbeitet und in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt und werden als Hartz- 4-Betroffene wie Bittsteller behandelt. Trotz Preissteigerungen wie lange nicht mehr, sollen sie mit einer Erhöhung des Regelsatzes um drei(!) Euro ab 2022 abgespeist werden. Menschen, die ihr Leben lang in die Krankenversicherung einbezahlt haben, finden jetzt im Essener Norden nicht mal mehr eine wohnortnahe Krankenhausversorgung. Es gibt viel zu wenig günstigen Wohnraum. Es ist gut, dass die Leute sich dagegen organisieren und weiter die Solidarität großschreiben, wie z.B. beim "Freundeskreis Katernberg". Ich verstehe meinen Wahlkampf vor allem so, die Bevölkerung in ihren Kämpfen zu unterstützen.

In Deinem Kandidaten-Flyer sagt ein kurdischer Mitbürger über Dich: „Mit ihrer Entschlusskraft und ihrem Fleiß hat sie das Zeug zur Kanzlerin.“ Was tust Du, wenn das nichts wird?

(Lacht) Ich werde mich zu beschäftigen wissen ... Ich bin ja auch Bundesvorsitzende meiner Partei, die gesellschaftlich immer mehr gefragt ist. Sei es in konkreten Arbeiterkämpfen, aber auch weil wir die einzigen sind, die klar für eine sozialistische Perspektive stehen. Dafür interessieren sich immer mehr Menschen. Trotzdem gibt es auch viele durch den Antikommunismus geschürte Vorbehalte. Deshalb legen wir großen Wert auf eine intensive Aufklärungs- und Bildungsarbeit, damit die Menschen mit dem Antikommunismus fertig werden. Zugleich sind wir auch eine Partei der Tat und ich beteilige mich auch immer wieder an praktischen Projekten. So habe ich 2015 mitgeholfen im Kriegsgebiet in Kobane/Syrien ein Gesundheitszentrum zu bauen. Dort sind inzwischen fast 30.000 Babys zur Welt gekommen und viele Leute konnten in ihre Stadt zurückkehren. Oder ich habe bei der Hochwasserkatastrophe in NRW praktische Hilfe geleistet. Selbstverständlich werde ich auch im Essener Norden aktiv bleiben. Das machen wir übrigens nicht nur bei Wahlen, wo man die bürgerlichen Parteien mit ihren Infoständen meistens nur in den vier Wochen vor der Wahl sieht. Ich mache das seit Jahren in regelmäßigen Abständen an den Samstagen und bin auch sonst viel bei den Leuten unterwegs. Man wird sich also wieder sehen!

Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

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