Mediziner betrachten die Corona-Entwicklungen in Mülheim mit Sorge
Jeder Einzelne trägt Verantwortung

Dr. Stephan von Lackum ist Mitglied im Krisenstab der Stadt Mülheim. Die Corona-Entwicklung beobachtet er aufmerksam, aber auch mit Sorge.
Foto: PR-Foto Köhring/SC
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„Der Teil-Lockdown greift noch nicht so, wie wir uns das vorgestellt und erhofft hatten“, sagt Dr. Stephan von Lackum, Mülheimer Geschäftsstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung. Er hat Eindruck, dass manche Menschen den Ernst der Lage noch nicht begriffen hätten. Auch der teilweise sorglose Umgang mit der Pandemie ist ihm ein Dorn im Auge.

Der 54-jährige Facharzt für Allgemeinmedizin und für Chirurgie ist Mitglied des Krisenstabes und so stets auf dem Laufenden, was die „Corona-Entwicklung“ in unserer Stadt angeht. Und die ist alles andere als erfreulich. Am Freitagmorgen lag der Inzidenzwert bei 195,2. Mülheim hat mittlerweile 23 Coronatote zu beklagen hat.Die Schutzmaßnahmen, die die Stadt ergriffen hat, wären eigentlich ausreichend, wenn sich jeder daran hielte.

Sicherlich bedeuteten die Verordnungen persönliche Einschränkungen, aber letztlich dienten die gesamten Maßnahmen dazu, noch Schlimmeres zu vermeiden. Dr. von Lackum  ist sich mit Krisenstabsleiter Dr. Frank Steinfort einig, dass 95 Prozent der Verantwortungsvollen unter den fünf Prozent der unverantwortlich mit der Krise umgehenden Menschen zu leiden hätten.

„Unser Mediziner im Krisenstab“, wie Steinfort und Stadtsprecher Volker Wiebels ihn gerne bezeichnen, weist im Gespräch mit der Mülheimer Woche auf die weiteren Konsequenzen und negativen Auswirkungen hin, die ihm letztlich zusätzliche Sorgen. In der letzten Woche war in Mülheim vier Arztpraxen geschlossen, weil Mitarbeiter Kontakt mit infizierten oder unter Quarantäne stehenden Personen hatten.

"Das ist der
falsche Weg"

Der kam allerdings nicht in den Arztpraxen zustande, sondern im familiären Umfeld. „Wir sind in allen Praxen bestens auf die Situation vorbereitet. Infektionen entstehen nicht in der Praxis, sondern eher im familiären Umfeld“, so von Lackum, „wir führen regelmäßig Abstriche durch, und nichts ist passiert. Deshalb appelliert er auch an Patienten, im Krankheitsfall die Arztpraxen und Krankenhäuser aufzusuchen, und nicht aus Angst vor Corona auf die notwendige medizinische Betreuung zu verzichten. „Das ist falsche Weg“, sagt er.

Stephan von Lackum, der als Leitender Notarzt und in der Krisenmedizin über vielfältige Erfahrungen verfügt, spannt den Bogen weiter: „Wir werden damit konfrontiert, dass personelle Engpasse auch bei Feuerwehr, Polizei, Versorgungseinrichtungen, im Diagnosezentrum oder beim Gesundheitsamt entstehen können. Die Folgen wären nicht auszudenken. Die gesamte Infrastruktur könne wegbrechen und für dramatische Zustände sorgen.

„Ich ziehe den Hut vor allen Mitarbeiter in den angesprochenen Bereichen“, sagt der Mediziner. Das gelte auch für den gesamten Krisenstab. Obwohl er erst seit kurzem dabei ist, schätzt er das das konstruktive Miteinander und die, wenn nötig, schnelle Reaktionsmöglichkeit auf unvorhergesehene Ereignisse. Frank Steinfort sorge für die richtigen juristischen Bewertungen und Handhabungen. OB Marc Buchholz hätte ein Händchen und das nötige Fingerspitzengefühl, zu motivieren und die notwendigen Botschaften rüberzubringen.

Patientenzahl
steigt ständig

Die Vernetzung der niedergelassenen Ärzte und der beiden Mülheimer Krankenhäuser im Krisenstab sei hervorragend. Man sei über die jeweilige Lage und mögliche Entwicklungen immer auf dem Laufenden. Sowohl im St. Marien-Hospital als auch im Evangelischen Krankenhaus sei die Zahl der Corona-Patienten dramatisch angestiegen. Zu Anfang der Pandemie seien Patienten mit schweren Verläufen zunächst nach Essen gekommen. Das ist nun nicht mehr der Fall. Da Essen selbst an die Kapazitätsgrenze gerate, würde grundsätzlich jeder Corona-Patient aus Mülheim Platz in den örtlichen Krankenhäusern finden.

Seit Oktober hat sich die dortige Patientenzahl Woche für Woche gesteigert. Silke Sauerwein, Sprecherin des Evangelischen Krankenhauses Mülheim (EKM), berichtet im Gespräch mit unserer Redaktion, dass der erste Corona-Patient dort am 23. März behandelt wurde. Bis Oktober waren das dann insgesamt 66 Patienten. Seit Oktober allerdings bis heute wurden schon 71 Patienten behandelt, So kommt die Gesamtzahl von bislang 137 Corona-Patienten im EKM zustande. Aktuell befinden sich dort 23 Patienten, sechs davon auf der Intensivstation. Ein Patient werde komplett beatmet, die fünf anderem erhalten Atemunterstützung.

Sorge, aber
keine Panik

„Auf eine weitere Steigerung der Corona-Patientenzahl sind wir gut vorbereitet“, so Sauerwein, „wir haben für den Fall eines Falles eine weitere Station als Corona-Station vorbereitet und könnten diese sofort nutzen.“ Die Verschärfung der Situation belastet natürlich auch die Mitarbeiter. „Viele gehen an ihre physischen und psychischen Grenzen“, so die EKM-Sprecherin. Die andere Seite der Medaille sei, dass aufgrund von Pandemie-Ängsten Menschen mit ihren eigenen Beschwerden unangemessen umgehen.

Sie rät dringend allen Menschen, bei Symptomen oder Schmerzen die Krankenhäuser aufzusuchen. Nicht selten könne ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt dahinterstecken, die eine umgehende Behandlung erfordere. Mülheim jedenfalls sei in allen medizinischen Bereichen gut aufgestellt. Es bestehe Grund zur Sorge, aber nicht zur Panik.

Dr. Stephan von Lackum ist Mitglied im Krisenstab der Stadt Mülheim. Die Corona-Entwicklung beobachtet er aufmerksam, aber auch mit Sorge.
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"Manche Zeitgenossen gehen zu sorglos mit der Pandemie um", so Dr. Stephan von Lackum.
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Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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