Rezension

Beiträge zum Thema Rezension

Kultur

Ulrike Draesners exzellenter Roman „Schwitters“
Kein Gedicht, eine Erkenntnis

„Es war ein ziemliches Abenteuer, denn ich wusste eigentlich wenig über ihn. Als ich anfing, kannte ich gerade mal seine Ursonate und ein paar Collagen“, erklärte die vielfach preisgekrönte Schriftstellerin Ulrike Draesner über ihr Verhältnis zum Schriftsteller und Collage-Künstler Kurt Schwitters (1887-1948), dem sie nun eine opulente Romanbiografie gewidmet hat. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Autorin hatte keine faktenorientierte, detailverliebte Biografie im Sinn, sondern sie hat sich...

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  • 15.09.20
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Kultur

Manuel Vilas' vorzüglicher Roman „Die Reise nach Ordesa“
Tief in der spanischen Seele

Gleich vorweg: Den Namen Manuel Vilas sollten wir uns merken. Der 58-jährige, aus dem Aragon stammende Autor hat viele Jahre als Lehrer gearbeitet und war bisher lediglich als Lyriker in Erscheinung getreten. Sein 2018 erschienener Romanerstling, der aus 157 lose miteinander verbundenen Kapiteln besteht, hat es in Spanien im ersten Jahr auf rund 150 000 verkaufte Exemplare gebracht. Ein gleichermaßen trauriges wie lebensfrohes Buch, das einen ganz tiefen Einblick in die spanische Seele gewährt....

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  • 27.08.20
Kultur

Thilo Krauses stilles Romandebüt „Elbwärts“
Alles zerstört

„Es gab ein reibendes Geräusch, ein dumpfes Schlagen und Schaben. Ich weiß nicht mehr, ob Vito schrie oder ob ich ihn nicht habe schreien hören,“ heißt es im Romandebüt des 43-jährigen Thilo Krause, der in Dresden geboren wurde und seit einigen Jahren in Zürich lebt. Der verhängnisvolle Jugendunfall hat das Leben des Ich-Erzählers und seines besten Freundes Vito schlagartig verändert. Die Teenager liebten es, ins Elbsandsteingebirge zu klettern, genossen gemeinsam die Einsamkeit und den...

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  • 24.08.20
Kultur

Monika Marons politisch brisanter Roman „Artur Lanz“
Das gallige Gelächter

"Natürlich kann ich nicht sagen, mein Leben fängt erst 1990 an, aber es ordnet sich um einen anderen Mittelpunkt, und die Fragen stellen sich anders. Ich hätte ,Pawels Briefe' nicht schreiben können, solange es die DDR noch gab", bekannte die Schriftstellerin Monika Maron, die im Rückblick auf ihr eigenes Leben von einer "gemischten Biografie" spricht. Deutsch-deutsche Grenzgänge im geografischen wie im politischen Sinn spiegelten sich nachhaltig im Werk der Kleist- und Hölderlin-Preisträgerin,...

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  • 17.08.20
Kultur

„Abschiedsfarben“ - die neuen Erzählungen von Bestsellerautor Bernhard Schlink (seit 22. Juli im Buchhandel)
Abschied, Schuld und Sühne

„Schuld ist ein Lebensthema. Es ist nicht das Lebensthema, und es ist auch nicht das Thema meiner Bücher, sondern nur eines“, hatte Bestsellerautor Bernhard Schlink vor zwei Jahren in einem Deutschlandfunk-Interview erklärt. Er war immerhin schon Mitte 40, als er seinen ersten Roman vorlegte, war bis zu seinem 65. Lebensjahr nicht einmal Berufsschriftsteller, und doch hat er mit „Der Vorleser“ einen der (vor allem auch international) erfolgreichsten deutschen Romane der letzten 25 Jahre...

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  • 23.07.20
Kultur

Ulrike Almut Sandigs erster Roman „Monster wie wir“ (ab 21. Juli im Buchhandel)
Erinnerung wie Knete

„Ich wollte vor allem einen Roman über den Zusammenhang von gesellschaftlich strukturierter Gewalt und sexualisierter Gewalt in Familien herstellen“, hatte Ulrike Almut Sandig wenige Tage vor Erscheinen ihres ersten Romans in einem Interview erklärt. Vier Lyrikbände, Hörspiele, ein Musikalbum und zwei Erzählungsbände liegen bereits aus der Feder der 41-jährigen, mehrfach preisgekrönten Autorin vor. Wie ihre Protagonistin Ruth ist auch Ulrike Almut Sandig als Tochter eines Pfarrers in der...

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  • 21.07.20
Kultur

Patrick Hofmanns Roman „Nagel im Himmel“
Die Zahlen waren immer da

„Er hielt es für möglich, die Riemannsche Vermutung zu beweisen, ohne den eigenen Beweis verstehen zu können, was natürlich seltsam und gewissermaßen beleidigend gewesen wäre, aber vielleicht gar nicht so abwegig“, so die Gedanken des Protagonisten Oliver Seuß aus dem zweiten Roman des 48-jährigen Autors Patrick Hofmann. Die Hauptfigur ist ein Mathematik-Genie aus einer sächsischen Kleinstadt, 1989 geboren und in einer zerrütteten Familie aufgewachsen. Olivers Mutter verlässt früh die Familie,...

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  • 17.07.20
Kultur

Elizabeth Strouts Roman „Die langen Abende“
Grauenvoll schwierige Frau

Sie ist wieder da, die pensionierte, stets grantelnde Mathematiklehrerin Olive Kitteridge aus Elizabeth Strouts Erfolgsroman „Mit Blick aufs Meer“, für den sie 2009 den Pulitzer-Preis erhalten hat. Sie ist älter und unförmiger geworden, ihr Mann ist gestorben und irgendwie scheint es vielen Menschen im fiktiven Städtchen Crosby im US-Bundesstaat Maine nicht besonders gut zu gehen. Um Olive herum hat die 64-jährige Autorin Elizabeth Strout einen zehn Jahre umfassenden erzählerischen Bogen mit...

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  • 15.07.20
Kultur

Matthias Polityckis Roman „Das kann uns keiner nehmen“
Hornbrillenwürschtl am Kilimandscharo

Der inzwischen 65-jährige Schriftsteller Matthias Politycki, bekannt geworden durch seinen "Weiberroman" (1997) und "Ein Mann von vierzig Jahren" (2000), hat sich zuletzt vor allem als kosmopolitischer Welterkunder betätigt. 2005 war der auf Kuba angesiedelte Roman "Der Herr der Hörner" erschienen, acht Jahre später entführte er seine Leser in „Samarkand, Samarkand“ nach Usbekistan. Nun geht es nach Afrika, genauer nach Tansania. "Schließlich hatte ich noch eine Rechnung mit diesem Berg offen...

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  • 03.07.20
Politik

Irina Liebmanns Roman „Die Große Hamburger Straße“
Vergessen ist auch Verrat

Man sollte gleich vorweg zwei Irrtümer ausräumen. Irina Liebmanns neues Buch ist alles andere als ein konventioneller Roman, und die „Große Hamburger Straße“ ist heute eine kleine unscheinbare Nebenstraße - rund 300 Meter westlich vom Alexanderplatz beginnend, nicht einmal 1000 Meter hinter dem Brandenburger Tor im ehemaligen Ostteil Berlins gelegen. Die 1943 in Moskau geborene Irina Liebmann nimmt einen erzählerischen Faden aus dem Jahr 1994 wieder auf, als sie diesem Viertel mit ihrem...

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  • 30.06.20
Kultur

Annette Pehnts Roman „Alles was sie sehen ist neu“
Mit den Worten spielen

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ Dieses auf Matthias Claudius zurück gehende Sprichwort ließe sich äußerst treffend als Leitmotiv dem neuen Roman der seit fast 30 Jahren in Freiburg lebenden Annette Pehnt voran stellen, die kürzlich den mit 111 Flaschen Riesling und 11111 Euro dotierten Rheingau Literaturpreis erhalten hat. In ihrem siebten Roman schickt die promovierte Anglistin eine deutsche Kulturreisegruppe in ein fernes Land, das unschwer als China auszumachen ist. Im...

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  • 17.06.20
Kultur

Melitta Brezniks Abschiedschronik „Mutter“
Nur die Hand halten

„Als sie mir sagte, sie könne das Bett kaum mehr verlassen, machte ich mich ohne weiteres Zögern auf den Weg hierher“, heißt es in Melitta Brezniks schmalem Abschiedsbuch. Die Mutter hat die neunzig überschritten und ist unheilbar an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt. Über die letzten sieben Lebenswochen, in denen sich Mutter und Tochter sehr nahe kamen, aber oft auch völlig fremd fühlten, berichtet die 59-jährige, in der Steiermark geborene und seit vielen Jahren in der Schweiz lebende Melitta...

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  • 04.06.20
  • 1
Kultur

Benjamin Quaderers faszinierendes Romandebüt „Für immer die Alpen“
Blechtrommler aus Liechtenstein

„Mein Name war einmal Johann Kaiser. Wahrscheinlich haben Sie von mir gehört.“ Mit diesen lakonischen Sätzen eröffnet der 31-jährige, in Österreich geborene und in Liechtenstein aufgewachsene Benjamin Quaderer sein Romandebüt und zieht den Leser sogartig in einen wilden Erzählstrudel aus Thriller, Gesellschaftspanorama und Schelmengeschichte. Der junge Autor hetzt uns förmlich durch seine bisweilen aberwitzig anmutende Handlung mit all ihren Exkursen und formalen Volten. Zwischendurch schnappt...

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  • 20.05.20
Kultur

Ulla Lenzes Roman „Der Empfänger“
Hübsche Frauen und der beste Jazz

„Gutes Essen, hübsche Frauen und der beste Jazz der Welt.“ So beschreibt Josef Klein, der Protagonist in Ulla Lenzes Roman „Der Empfänger“ seine Lebenswelt jenseits des Atlantiks. Als junger Mann von Anfang zwanzig war er 1925 aus Düsseldorf nach New York aufgebrochen, wo er seinen Lebensunterhalt als Drucker verdiente. Die 46-jährige, in Berlin lebende Schriftstellerin Ulla Lenze beschreibt in ihrem vierten Roman das umtriebige Leben im New York der späten 1930er Jahre sowie im völlig...

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  • 07.05.20
Kultur

„Harte Jahre“ - der neue Roman von Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa
Verrat, Intrigen und Gewalt

„Guatemala ist wahrscheinlich eines der schönsten Länder der Welt, aber seine Geschichte, vor allem die republikanische, ist auch eine der gewaltreichsten der Welt. Ich glaube, dass man mit gewisser Berechtigung sagen kann, dass der eindeutig von der CIA organisierte Putsch gegen Árbenz damals die Möglichkeiten eines großen demokratischen Wandels in Lateinamerika stark verringert hat", erklärte Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa bei der ersten öffentlichen Präsentation seines neuen Romans...

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  • 21.04.20
Kultur

Hartmut Langes Novellen „Der Lichthof“
Irrfahrt mit dem Navigator

„Es gibt kein Problem, das man nicht aus der Welt schaffen kann. Man muss nur verstehen, worum es geht“, lässt der inzwischen 83-jährige Hartmut Lange eine seiner Figuren, den Politologen Ronnefelder gleich zweimal sagen. Das klingt lange-untypisch, fast simpel, beinahe wie ein Kalenderspruch aus einem philosophischen Ratgeber. Vom Berliner Novellisten ist man anderes gewohnt: jede Menge Düsternis, Rätselhaftigkeiten, tiefe seelische Abgründe und bisweilen schaurige Naturbeschreibungen, die er...

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  • 07.04.20
Kultur

Ingo Schulzes großartiger Roman „Die rechtschaffenen Mörder“
Die Verwandlung des Antiquars

Was machen Bücher mit uns? Sind sie für uns ein Leitfaden, eine Inspiration, vielleicht sogar ein Fundament, auf dem man sein Leben einrichten kann? Oder können sie uns auch in die Irre leiten? Diese und ähnlich spannende Fragen stellt Erfolgsautor Ingo Schulze, der erzählerische Seismograf für das Nachwende-Lebensgefühl im Osten der Republik, in seinem neuen – um es gleich vorweg zu nehmen – grandiosen Roman. Auf drei Erzählebenen berichtet der 57-Jährige Schulze über den Antiquar Norbert...

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  • 23.03.20
Kultur

Michael Kumpfmüllers Roman „Ach, Virginia“
Aggression nach außen

„Liebster, ich bin mir sicher, dass ich wieder wahnsinnig werde, ich kann nicht länger dagegen ankämpfen“, lässt Michael Kumpfmüller in seinem neuen Roman seine Hauptfigur, die weltbekannte Schriftstellerin Virginia Woolf (1882-1941) klagen. Der 58-jährige Erfolgsautor Kumpfmüller, der erst im Alter von fast vierzig Jahren mit seinem von der FAZ damals vorab gedruckten Romanerstling „Hampels Fluchten“ debütiert und zuletzt mit Nachfolgewerken wie „Die Erziehung des Mannes“ (2016) und „Tage mit...

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  • 12.03.20
Kultur

Dirk Kurbjuweits Roman „Haarmann“
Der Kannibale von Hannover

„Seine Hoffnung war der nächste Fall, dass dieser eine Spur offenbarte, ihm eine Leiche lieferte, irgendwas, an das er anknüpfen konnte. Abscheulicher Gedanke, aber wahr“, heißt es über den jungen Kriminalkommissar Robert Lahnstein in Dirk Kurbjuweits Dokufiction „Haarmann“, die um den brutalen Massenmörder aus den frühen 1920er Jahren kreist. Autor Dirk Kurbjuweit, seit mehr als 20 Jahren in leitender Funktion beim „Spiegel“ tätig, lässt die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion bewusst...

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  • 10.03.20
Kultur

„Das zweite Schwert“ von Nobelpreisträger Peter Handke
Das Gesicht eines Rächers

„Das ist also das Gesicht eines Rächers.“ Welch ein Einstieg in diese, als Maigeschichte etikettierte Erzählung. Man kann inzwischen sicher sein: Wo Handke drauf steht, ist auch Handke drin. Der 77-jährige österreichische Dichterfürst liebt das Extreme, scheut keine Provokationen und duldet „keine anderen Götter“ neben sich. „Für ein einflussreiches Werk, das mit linguistischem Einfallsreichtum die Randbereiche und die Besonderheit der menschlichen Erfahrung erforscht" habe wurde ihm im letzten...

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  • 27.02.20
Kultur

John von Düffels Roman „Der brennende See“
Lebende Altlasten

„Ich glaube, dass sich das Thema in sehr kurzer Zeit massiv zuspitzen wird, und damit werden wir auch einen schärferen Generationenkonflikt erleben“, hatte der Schriftsteller John von Düffel kürzlich im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ erklärt. Gemeint ist die aktuelle und äußerst kontroverse Diskussion um die „Fridays for future“-Bewegung, die auch im Mittelpunkt des neuen Romans des 54-jährigen Autors steht, der seit vielen Jahren als Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin arbeitet. Ganz...

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  • 14.02.20
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Kultur

António Lobo Antunes' faszinierend-verstörender Roman „Für jene, die im Dunkeln sitzt und auch mich wartet“
Wirbelstürme im Kopf

Wenn im Herbst das Rätselraten um die Nobelpreiskandidaten in die heiße Phase geht, wird seit fast zwei Jahrzehnten sein Name stets ganz besonders hoch gehandelt: der 77-jährige portugiesische Schriftsteller António Lobo Antunes, der lange als Chefarzt einer psychiatrischen Klinik in Lissabon arbeitete. Im neuen Roman steht eine demente Schauspielerin im Mittelpunkt. Lobo Antunes hat immer schon höchst assoziativ geschrieben. Nun hat er sich durch seine Figur die Legitimation verschafft, alles...

  • Wattenscheid
  • 11.02.20
Kultur

Bücherkompass: Jo Walton - Der Tag der Lerche
Zweiter Fall für Inspector Carmichael in einem faschistischen Großbritannien

Titel: Der Tag der Lerche Art: Roman Genre: Krimi/alternative Geschichte Reihe: Kleine Veränderungen Band: 2 Sprache: Deutsch Verlag: Golkonda Verlag Publikationsjahr: 2018 Autor: Jo Walton Titelbild/Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München Umfang: 293 Seiten Bindung: Hardcover Preis: 19,90 € Rezensent: Martin Wagner Es gab in der Geschichte immer wieder Situationen, in denen Kleinigkeiten, den Verlauf der Geschichte für immer geändert hätten. Was wäre zum Beispiel gewesen, wenn Alexander der...

  • Hattingen
  • 06.02.20
Kultur

Bücherkompass: Malika Mokeddem - Das Geheimnis der Mutter
Wenn eine Erinnerung erwacht

Titel: Das Geheimnis der Mutter Art: Roman Genre: Gesellschaftskritik Sprache: Deutsch Verlag: Donata Kitzelbach Publikationsjahr: 2009 Autor: Maïssa Bey Übersetzung: Morna Dörr Titelbild/Illustrationen: www.picup.ch (beat albrecht) Umfang: 142 Seiten Bindung: Softcover Preis: 18,00 € Rezensent: Martin Wagner In Träumen verarbeiten wir alle die Geschehnisse des Tages. Manche Ereignisse verfolgen uns in Träumen und Erinnerungen ein Leben lang. Aber gerade Dinge, die wir als Kinder erlebt haben,...

  • Hattingen
  • 05.02.20
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